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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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war ich selbst enttäuscht. Dann hat mein armer Freund an Guyetus geschrieben, er ruhe in Frieden. Guyetus antwortete erst nach zwei Monaten, versprach, ihn bald zu besuchen, war dann aber unauffindbar. Das glaube ich nicht, es wäre ein ungewöhnlicher Mangel an Korrektheit unter Gelehrten gewesen.«
    So hatte Bouchard jegliches Vertrauen verloren. Genau hier liegt das Problem, lieber Gabriel, hatte er ihm einmal gesagt: Von meinen Kollegen habe ich nichts zu erwarten, und ich glaube, ich weiß warum. Wir Philologen halten alles für wahr, was wir finden, und errichten ganze Gebäude darauf. Erst wenn die Beweise erdrückend werden, geben wir zu, dass eine Handschrift gefälscht sein könnte. Wenn wir die Wahrheit offenlegen würden, nämlich dass man von keiner einzigen antiken Handschrift ernsthaft und in gutem Glauben behaupten darf, sie sei echt, und dass der überlieferte Bestand an Texten so spärlich ist, dass er von einer Truppe habgieriger Kopisten, Epigraphikern und Papyrologen zur Gänze hätte gefälscht werden können, würden wir uns selbst und unsere Universitäten unrettbar zum Untergang verdammen.
    |563| Naudé erzählte weiter: Auch in seinem letzten Lebensjahr hatte Bouchard dank einiger Aufträge der Barberini berufliche Erfolge und Einkünfte.
    »Jedenfalls beschloss mein Freund unbegreiflicherweise, das Projekt der Synkellos-Übersetzung fallenzulassen.«
    »Warum das denn?« Ich wunderte mich, weil ich mich an Schoppes Bericht erinnerte, nach dem die Arbeit am Synkellos durch das Attentat abgebrochen wurde, nicht durch Bouchard selbst.
    »Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sogar die Barberini, seine Herren, überrascht und enttäuscht waren, ihn aber nicht umstimmen konnten.«
    Bouchard hatte seinen Entschluss gefasst: Die griechischen Historiker sollten nicht veröffentlicht werden, sondern unerreichbar in ihrer Handschrift eingeschlossen bleiben.
    »Außer mir und sehr wenigen Freunden, die ihn besuchten, kann sich niemand vorstellen, was geschehen ist, und welch eine große Enttäuschung Bouchard den Barberini bereitete. Denn mein armer Freund hat die Regel der Starken Geister beherzigt:
intus ut libes, foris ut mores
, innerlich verhalte dich wie du willst, in der Öffentlichkeit aber gemäß der Sitten. Er hat keine Briefe mehr geschrieben, in denen er um Rat bat, und auch mit mir hat er fortan nicht mehr über Synkellos, die Gotteslästerungen der antiken Historiker, Pyrrhon und so weiter gesprochen. Schon vor dem Überfall hatte er sich in seine Geistesverwirrung verschlossen, war vereinsamt. Eine Einsamkeit, die bis zum Attentat auf dem Petersplatz, bis zum Tod andauerte. Doch ich schwöre«, schloss er, »und der Himmel sei mein Zeuge, dass ich in keiner Weise auf seine Seele und seinen Leib eingewirkt habe, und das bis zum letzten Tag seines Lebens. Wenn ich es hätte tun können, wäre es geschehen, um ihn zu retten.«

    Plötzlich verspürte ich eine unangenehme Kälte an den Waden und Oberschenkeln. »Oh Gott, das Wasser steigt bis zu unseren Beinen an! Erst saßen wir auf dem Trockenen!«, schrie ich, entsetzt auf die Wasseroberfläche blickend.
    »Ich wollte es Euch die ganze Zeit sagen, aber Ihr habt mich ja nicht sprechen lassen«, gabst du vorwurfsvoll zurück. »Was geschieht hier?«
    »Das ist die Flut!«, erklärte ich, und meine Bestürzung übertrug sich auf euch beide.
    |564| »Ich bin auch schon nass. Wie hoch steigt die Flut denn?«, stammelte Naudé.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete ich, während die Angst meinen Atem beschleunigte. »Die Cavalieri sagen, es gibt Meere, wo sie einen Mann drei- oder viermal überragt. Zum Beispiel in den Gewässern zwischen Frankreich und England.«
    »Und hier bei uns?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie bei Vollmond schneller steigt.«
    »Und den haben wir gerade in diesen Nächten, oder?«, fragtest du, während die Aufregung sich unserer Körper bemächtigte und den mühsam ausbalancierten Zug der Seile um unsere Handgelenke gefährdete.
    »Ich habe nicht darauf geachtet, Signorino Atto«, log ich, denn ich konnte dir nicht von der Vollmondnacht erzählen, die Kemal, Barbara und ich mit dem Kalfatern des Schiffes verbracht hatten. Dieselbe Nacht hatte zudem die inbrünstige Liebesbegegnung zwischen Malagigi und der verkleideten Frau gesehen, welche du naiv für die deine hieltest. Wenn es schon ans Sterben gehen musste, dann lieber mit dieser Illusion.
    Unterdessen hatten wir begonnen, so heftig an den Fesseln

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