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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Naudé, dessen Trunkenheit sichtlich zunahm. »Viele beneideten und hassten Bouchard, zum Beispiel Holste, der Bibliothekar der Barberini, dessen Hoffnungen, die Ausgabe der Schriften von Synkellos und Theophanes betreuen zu dürfen, zunichte wurden, als der viel gebildetere Bouchard auftauchte. Und wenn man bedenkt, dass Bouchard dem Kartäuserkloster in Rom aus Zuneigung zu Du Puy seine sämtlichen Ersparnisse überlassen hatte: achthundert Scudi in Silber und neunhundert in Gold! Doch was tat dieser Ordensbruder? Um seiner grässlichen Lüge zum Schaden eines Verstorbenen, der ihm herzlich zugetan war, mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, erzählte er in seinem Brief an die Brüder, es habe sich nur um ein paar Heller gehandelt. Selbst wenn es so gewesen wäre, hätte er das wenigstens aus Respekt vor dem Toten nicht erwähnen dürfen, oder? Dieser Brief an die Brüder Du Puy war eigens dafür gemacht, überall herumgezeigt zu werden, um üble Nachrede über meinen unglücklichen Freund zu verbreiten und seinen Ruf für immer zu zerstören. Die Wahrheit über die Geschichte und die Zeit, die Bouchard herausgefunden hatte, verschwand. Die jahrhundertealten Lügen über Synkellos, Berossos, Manetho und andere, die mein Freund aufgedeckt hatte, wurden wieder sorgfältig vertuscht, und wer weiß für wie lange. Was auch immer an Schriften Bouchards noch entdeckt werden wird, keiner wird sie mehr ernst nehmen.«
    »Dann fürchteten Cassiano und die Du Puy also, dass noch andere Schriften Bouchards über das Problem der Zeit in Umlauf waren?«
    »Das ist doch klar! Mein armer Freund stand mit vielen großen Namen der Gelehrtenrepublik in Kontakt: außer mit Galileo, wie du weißt, auch mit Grotius, Campanella, Mersenne, Leone Allacci, dem Kardinal Filomarino und sogar mit Petavius, um nur ein paar Namen zu nennen.«
    »Meint Ihr den Jesuiten, der den Brief von Philos Ptetès bekam, sich aber nicht aus Paris wegbewegt hat?«
    »Genau den.«
    »Ist das eine berühmte Persönlichkeit?«
    »Das fragst du noch! Er hat das chronologische Werk Scaligers fortgesetzt, um nur ein Beispiel zu nennen. Kurzum, Bouchard unterhielt Kontakte mit vielen wichtigen Leuten, und wenn mein armer Freund |626| überlebt hätte, wäre er in die Kreise aufgestiegen, die wirklich zählen, die Meinungen machen. Mit Allacci, dem großen Gräzisten, haben wir stundenlang über Photios I. diskutiert, den Patriarchen von Konstantinopel, der das Schisma zwischen der Westkirche und der Ostkirche heraufbeschworen hatte. Allacci war überzeugt, dass die Akten des Konzils, auf dem Photios zum Patriarchen ernannt wurde, gefälscht seien, ja, dass das Konzil überhaupt nicht stattgefunden habe. Er hatte Bouchard erzählt, dass der berühmte Antonio Possevino genauso dachte. Der Ärmste, während er mit Allacci über historische Fälschungen sprach, ahnte er nicht, dass er bald selbst Opfer einer Fälschung werden würde.«
    »Dann ist das Tagebuch Bouchards, das ihn seinen Ruf kostete, also gefälscht …«, resümiertest du nachdenklich.
    Naudé senkte den Kopf, dann sagte er leise:
    »Jedes Kind hätte begriffen, dass diese Bekenntnisse ein billiger Betrug waren. Im Tagebuch heißt es zum Beispiel, dass Bouchard impotent war, und es ist die Rede von einer Reise zu Wasser und zu Land. Woher diese Einfälle stammen, liegt auf der Hand: von Petronius! Encolpius, der Held des
Satyricon
, ist impotent und macht eine Reise zu Wasser und zu Land! Bouchard nannte das
Satyricon
eine Fälschung? Dafür wird er in seinem Tagebuch zu einem zweiten Encolpius. Sie haben Bouchard mit denselben Lügen vernichtet, die er immer bekämpft hatte! Und alle in Rom und Paris haben es geglaubt. Dann kam das Buch von diesem Eritreer …«
    Nach Bouchards Tod, erzählte Naudé, während er deine Hand zwischen die seinen nahm und mit deinen langen Fingern spielte, betritt Gian Vittorio Rossi die Bühne, genannt der Eritreer, der Schreiberling, der sich ein Vergnügen daraus macht, ganz Rom mit seinen Sammlungen von Klatschgeschichten zu verunglimpfen. In seinem nächsten Buch, das in Köln schon druckfertig vorliegt und den bezeichnenden Titel
Pinacotheca
trägt, Porträtgalerie, stellt er die verborgenen Laster kürzlich verstorbener Mitglieder der Römischen Kurie bloß, darunter auch Antonio Bosio, den gelehrten Anwalt und Fachmann für die unterirdischen Wege Roms. Dort habe Bosio, so der Eritreer, freilich häufiger geweilt, um es sich von hinten besorgen zu lassen, als die

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