Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
Vom Netzwerk:
hätte er eine falsche Handschrift in diesen Tagebüchern sofort erkannt. Tatsächlich kam es genau so, wie Cassiano vorausgesehen hatte. Als sich nach dem Tod Bouchards die Nachricht vom Fund jener Tagebücher voll unzüchtiger Einzelheiten verbreitete, reiste der gute Marco Aurelio Severino prompt nach Rom und bat die Barberini, ihm Einsicht in die Bücher zu gewähren. Doch er musste verlegen und bedauernd feststellen, dass die Handschrift wirklich Bouchard gehörte. Diese mit jeder Art Scheußlichkeiten gespickten Seiten waren echt.«
    »Echt? Aber wie haben sie das fertiggebracht? Verzeiht mir, aber ich finde mich nicht mehr zurecht«, stammelte ich, mich an der Stirn kratzend.
    »Fürst Virgilio Cesarini, der ein Mitglied der Accademia degli Umoristi war wie Cassiano«, begann die Erklärung des Eritreers, |733| »empfahl der Accademia dei Lincei im Mai 1621, Cassiano in ihre Reihen aufzunehmen, denn er sei ›unter Gelehrten für seine Findigkeit in der chemischen Wissenschaft sehr bekannt und hat enorme Ausgaben auf sich genommen, um viele Geheimnisse der Natur zu entdecken‹.«
    »Worauf spielt Ihr an?«
    »Ich spiele auf gar nichts an. Klarer geht es doch nicht. Aber ich werde Euch noch mehr sagen. Habt Ihr je von dem
De Occulta Philosophia
des Agrippa von Nettesheim gehört, darin gelehrt wird, wie man jemanden mit den Augen verzaubert und gefügig macht? Und von den Experimenten des Paracelsus über den Magnetismus der Hände? Und von der Iatrochemie?«
    »Diese letzte kenne ich«, sagte ich, »das ist die Medizin des Paracelsus.«
    »Genau. Die Accademia dei Lincei ist eine wissenschaftliche Akademie, die Paracelsus Lehren folgt. Wie auch Cassiano seit dreißig Jahren. Der hochgeschätzte Commendatore hat Mediziner in fast allen Ländern Europas brieflich miteinander in Kontakt gebracht, um die Iatrochemie zu verbreiten. Einer von ihnen, Pietro Castelli, der bis vor etwa zehn Jahren in Rom Seite an Seite mit unserem Cassiano zusammengearbeitet hat, behauptet, dass man durch die Verabreichung von Säuren jeden Vorgang im menschlichen Körper beherrschen und steuern kann.«
    Im Lauf der Zeit, fuhr der Eritreer fort, wurden die Besuche des Commendatore bei Bouchard immer häufiger. Er begann, einen Arzt aus Bologna mitzunehmen, einen gewissen Potier oder Poterius, seit vielen Jahren ein Freund der Familie Cassianos. Potier war ebenfalls ein Anhänger von Paracelsus, er hatte einen Traktat über spagyrische Arzneien veröffentlicht und war außerdem dafür bekannt, bei den unterschiedlichsten Krankheitssymptomen Präparate auf der Basis von Antimonsalzen zu verabreichen, allen voran das »antithetische Remedium«, eine Mischung aus Antimonoxyd und Zinn, dessenthalben man ihn, wie es hieß, sogar aus der Universität in Paris gejagt hatte.
    »Ihr könnt Euch vorstellen, warum«, sagte der Eritreer lachend. »Wer weiß, wie viele arme Unglückliche er auf dem Gewissen hat. Vor allem aber munkelte man, dass dieser Potier gelernt habe, seine Augen zu gebrauchen, um gefügig zu machen, wie Agrippa von Nettesheim.«
    Acht Tage nach dem Überfall, die er im Bett verbracht hatte, waren Bouchards Kopfwunden eigentlich fast verheilt, erklärte der Eritreer. |734| Der Arzt der Barberini hatte festgestellt, dass die Verletzungen nicht lebensbedrohlich waren. Die Blutung war sogar Bouchards Rettung gewesen, weil sie die Bildung des Hämatoms verhindert hatte. Doch der arme junge Mann litt unter sonderbaren Schwindelanfällen, die in den nächsten Tagen nicht abklangen, sondern zunahmen. Ohnehin fürchtete er, früher oder später wieder Opfer eines Attentats zu werden. Also schrieb er Kardinal Barberini, er habe durch einen anonymen Informanten erfahren, dass der französische Botschafter plane, ihn innerhalb eines Monats erschießen zu lassen. Das war frei erfunden, aber Bouchard brauchte einen Vorwand, damit er darum bitten konnte, im Apostolischen Palast untergebracht zu werden. Er wollte nicht mehr auf die Straße hinausgehen müssen, um zur Arbeit zu gelangen. Doch ausgerechnet in jenen Tagen verschlechterte sich sein Zustand: Er bekam Fieber und fühlte sich so unwohl, dass er sein Zimmer in der Cancelleria bald gar nicht mehr verlassen konnte.
    »Das Unwohlsein und die Fieberanfälle waren keine Folgen des Attentats, sondern die Wirkung der Substanzen, die Potier ihm verabreichte. Bouchard fühlte sich zunehmend verwirrter, er hatte Kopfschmerzen, Brechreiz und immer wiederkehrende Schwindelanfälle. Irgendwann

Weitere Kostenlose Bücher