Das Mysterium der Zeit
Arbeit über Synkellos geworden ist? Ich weiß, dass Bouchard sie den Barberini hinterlassen hat, also wird sie in den Händen ihres Bibliothekars, jenes Lukas Holste sein, ebenfalls einer der
Deniaisez.
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»Aha, Ihr kennt diesen ketzerischen Deutschen aus Hamburg also bereits. Es war Peiresc, der ihn überredete, pro forma zum Katholizismus zu konvertieren, denn er wollte ihn benutzen, um im Schoß der heiligen Mutter Kirche Ränke zu schmieden. Und das ist ihm sehr gut gelungen. In Bouchards Tagebücher wurden auch Hinweise auf Holste eingefügt, damit man außer Cassiano und Naudé auch ihn in Schach halten konnte. Es wird zum Beispiel erzählt, dass sein Page am Weihnachtstag ein Mädchen entjungfert hatte. In Wirklichkeit ist das eine Metapher für das blasphemische Treiben, das diese Leute zu Weihnachten gerne veranstalten, natürlich ohne Frauen … Päderasten sind immer erpressbar, also die idealen Kandidaten für schmutzige Arbeiten. Nehmt Bouchards Studie über Synkellos. Ihr glaubt doch nicht etwa, dass Holste sie vernichtete. Nein, er hat alles nach Paris an die Du Puy geschickt, das war letztes Jahr.«
»Woher wisst Ihr das?«
»Signore, wenn ich nicht meine Informanten hätte, wie hätte ich dann auch nur eine Zeile meiner drei Bände mit Porträts schreiben können?«
»Den Barberini, die vor Bouchards Tod seine Ernennung zum Bischof |737| von Cagli vorbereitet hatten, erzählte dal Pozzo, dass der arme Mann wegen eines Blutgerinnsels im Kopf leider irreredete, aber Potier alles tue, um Abhilfe zu schaffen. Kardinal Barberini stattete dem Kranken mehrmals einen Besuch ab, und jedes Mal sorgte der Arzt dafür, dass er Bouchard in einem zerrütteten Geisteszustand vorfand, der keinen Zweifel mehr zuließ, und er dem Kardinal raten konnte, von weiteren Besuchen abzusehen, bis es Bouchard besser ging. Von der Bischofswürde war fortan keine Rede mehr. Mein armer Freund, der sich von einer Sitzung zur nächsten an nichts mehr erinnerte, ja sogar an Halluzinationen litt, wurde unruhig und verstand nicht, warum die Ernennung zum Bischof so lange auf sich warten ließ. Durch geschicktes Einflüstern erregte Cassiano in ihm den Verdacht, dass er den Barberini nicht mehr wichtig war. Also schrieb Bouchard einige Briefe voll bitteren Ressentiments gegen die Barberini an dal Pozzo, die der Fürst der römischen Gelehrten flugs herumzeigte, um sich über meinen Freund und seine lächerlichen Ambitionen auf ein Bischofsamt lustig zu machen. Mir hat indessen ein Blick auf diese Briefe genügt, um zu begreifen, dass sie etwas sehr Übles mit Bouchard anstellten. Auf seinen Briefen an Cassiano, wenige Monate vor seinem Tod geschrieben, lautete die Adresse des Absenders Monte Cavallo oder sogar Palestrina. Bouchard hatte Halluzinationen, er glaubte, er habe wieder angefangen zu arbeiten, sei sogar auf Reisen, während er in sein Zimmer im Palazzo der Cancelleria verbannt blieb.«
Zur Sicherheit ließen der Commendatore und sein Arzt die Nachricht verbreiten, Bouchard sei am ganzen Körper geschlagen worden und mehrere lebenswichtige Organe seien verletzt. Denn Cassiano brauchte eine Begründung für den nunmehr beschlossenen Tod Bouchards, der – gut fünf Monate nach dem Überfall – jedem unerklärlich erschienen wäre. Nach einer offensichtlichen Besserung seines Zustands sollte er nun langsam, aber unerbittlich an sein Grab geführt werden.
Die Arbeit an den Tagebüchern ist abgeschlossen. Sie brauchen Bouchard nicht mehr. Oder besser, als Leiche können sie ihn sehr gut gebrauchen. Potier versetzt ihm mit seinen Mittelchen den Gnadenstoß. Der junge Mann deliriert, während er sich im glühenden römischen Sommer schweißgebadet auf seinem Bett hin und her wälzt. Klare Augenblicke, in denen er versucht, den Kontakt zur Außenwelt nicht ganz zu verlieren, sind sehr selten.
|738| »Doch in diesen Momenten der Geistesgegenwart war er zu Tode erschöpft, und Naudé bestätigte mir, dass Bouchard sich nicht an die Schreibarbeit am Tagebuch erinnerte, zu der er unter der Wirkung der Gifte Potiers gezwungen worden war.«
Am 25. August steigt das Fieber so stark, dass die Barberini einen Priester und einen Notar zu ihm schicken. Bouchard macht sein Testament. Zwei Tage später stirbt er.
»Apropos«, unterbrach der Eritreer seinen Bericht, während er den Blick über die Ewige Stadt zu seinen Füßen schweifen ließ. »Wisst ihr, dass just heute genau sechs Jahre seit seinem Tod vergangen sind?«
Ich
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