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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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nickte.
    Der Alte sah mich schief an und nickte ebenfalls. Mein Besuch war keine zufällige Koinzidenz der Daten – jetzt hatte er verstanden. Er fragte nicht, warum ich mich außer für Cassiano dal Pozzo auch so sehr für Bouchard interessierte. Er war alt genug, um darauf zu pfeifen. Und ich war sicherlich der Erste und Einzige, der bis hierher auf diesen römischen Hügel gekommen war, um ihn nach dieser alten Geschichte zu fragen.
    »Gabriel Naudé wurde von Gewissensbissen zerfressen«, hub er wieder an. »Er fragte Potier noch einmal, ob Bouchard die Interpolation seiner eigenen Tagebücher, zu der man ihn gezwungen hatte, wirklich niemals bewusst gewesen sei. Der Arzt versicherte ihm, dass die magnetische Macht der Augen den Willen aufhebe und zum Gehorsam bewege, ohne dass das Subjekt sich je daran erinnere. Doch eines Tages erfuhr Naudé, dass dies nicht die ganze Wahrheit sein konnte.«
    Er war nach Frankreich zurückgekehrt, wo er auf ein Büchlein gestoßen war:
Die Klage um das abgekürzte &
. Der Verfasser war Marco Aurelio Severino, der das Buch überraschenderweise Cassiano dal Pozzo gewidmet hatte. Cassiano hatte Severino in den Briefwechsel zwischen den Anhängern Paracelsus einbezogen, und der neapolitanische Arzt war inzwischen zusammen mit Castelli und Potier zu einem der Stützpfeiler der Iatrochemie in Europa geworden. Kurze Zeit später erfuhr Naudé, dass der Commendatore Severino sogar damit beauftragt hatte, eine Reihe von graphologischen Porträts bekannter Persönlichkeiten zu erstellen. Während einer seiner Reisen auf der Suche nach Büchern für Kardinal Mazarin besuchte der Bibliothekar Severino in Neapel. Er fragte ihn nach Bouchard, nach seinem Gutachten über das Tagebuch. Severino antwortete, ja, die Handschrift sei im |739| Wesentlichen wirklich Bouchards Handschrift gewesen, doch seiner Einschätzung nach habe Bouchard manche Seiten dieser Tagebücher Jahre später ersetzt, und das müsse er in einem äußerst schlechten körperlichen und geistigen Zustand getan haben, wahrscheinlich nach dem Überfall. Denn seine Schrift bewahre zwar die wichtigsten unverwechselbar eigenen Merkmale, doch auf den anstößigsten Seiten unterscheide sie sich doch sehr vom Rest des Tagebuchs. Dort sei sie ebenmäßig, breit, ruhig und voller Gefühl für die eigene Würde, während sie an den anderen Stellen kritzlig, mühsam, verängstigt erscheine, als wäre Bouchard gewaltsam von anderen gezwungen worden, diese Seiten zu schreiben und habe das unter großem seelischen und körperlichen Druck getan.
    Naudé fragte Severino, ob er diese Eindrücke Cassiano dal Pozzo zu dem Zeitpunkt mitgeteilt habe, als er die Tagebücher Bouchards untersuchte. Dieser antwortete, das habe er erst später getan, nachdem er eine Zeitlang gründlich über die Sache nachgedacht hatte, denn eine so beeindruckende Veränderung der Handschrift sei ihm bisher nur sehr selten vorgekommen. Der Cavaliere und Commendatore hatte mit einem überschwänglichen Lob auf die herausragenden divinatorischen Fähigkeiten Severinos reagiert und ihm aufgetragen, eine ganze Reihe psychologischer Porträts unterschiedlichster Persönlichkeiten zu verfassen, die auf einer Analyse ihrer Handschrift basierten. Cassiano versprach ihm, das Werk drucken zu lassen und bezahlte ihn fürstlich, doch dann tat er nichts für die Veröffentlichung.«
    »Warum?«
    »Versteht Ihr nicht? Dal Pozzo fürchtete, dass Severinos Intuition ihn früher oder später gefährlich nah an die Wahrheit heranführen würde, darum hat er sich seine Freundschaft gekauft. Und der neapolitanische Arzt ist in die Falle gegangen, hat sich zu einem bedingungslosen Bewunderer des unangefochtenen Fürsten der römischen Gelehrten gemacht und sich keine Fragen mehr nach abstoßenden Tagebüchern des mittlerweile verstorbenen Bouchard und seiner zwei unterschiedlichen echten Handschriften gestellt. Dem armen Bouchard war also durchaus bewusst gewesen, was man während jener von Potier verursachten alterierten Zustände mit ihm gemacht hatte! Er muss Höllenqualen erlitten haben! Von wegen Tod durch Stockschläge. Die erzwungene eigenhändige Fälschung seiner Tagebücher und die Gifte Potiers: das hat Bouchard umgebracht.«
    |740| »Wenn ich recht verstanden habe, hat Naudé Euch das alles auf seiner Rückreise aus Neapel erzählt, nachdem er mit Severino gesprochen hatte.«
    »Genau so ist es.«
    »Jetzt berichtet mir von Eurem Kapitel über Bouchard, dessen

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