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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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lassen, obwohl Cassiano sie ihm gezeigt und sogar hatte kopieren lassen, weil er hoffte, das Andenken Bouchards damit höchst wirkungsvoll zu zerstören.
    Warum hatte der Eritreer in seiner Porträtgalerie die obszönen Tagebücher |729| Bouchards nicht erwähnt? Das hattest du schon Naudé gefragt, aber er hatte dir trocken geantwortet, er wisse es nicht.
    »Das Kapitel über Bouchard wurde nie veröffentlicht. Von wem habt Ihr den Inhalt erfahren? Und warum interessiert Euch diese alte Geschichte?«, fragte der Alte mich misstrauisch.
    »Ich stelle im Auftrag des Cavaliere Girolami Sozzifanti, Kapitän der Marine des Ordens Santo Stefano, dessen Secretarius ich bin, Nachforschungen über den Cavaliere dal Pozzo an.«
    Und hier, Atto, muss ich dir ein weiteres kleines Geständnis machen: Cassiano dal Pozzo war Cavaliere von Santo Stefano, sogar schon im zarten Alter von elf Jahren, da er ein Neffe des Erzbischofs von Pisa ist, welcher innerhalb der Marine des Ordens Santo Stefano die sogenannte »Commenda Puteana« eingerichtet hatte. Ihr Name ist die lateinische Übersetzung des Nachnamens dal Pozzo:
a puteo
. Das ist keine große Offenbarung, ich weiß, aber du musst wissen, dass Cassiano dal Pozzo in den letzten Jahren nicht sämtliche erwünschten Beförderungen und Pfründe erhalten hat, und daran sind einige mit großer Sorgfalt geknüpfte Beziehungen zwischen der Marine der Cavalieri von Santo Stefano und der Päpstlichen Marine, die von derselben bis zu Seiner Heiligkeit reichten, nicht ganz unschuldig. Ich brauche dir nicht zu sagen, warum diese Beziehungen ihren Weg nicht über den Großherzog der Toskana nahmen, oder? Und ich denke, du kommst von selbst darauf, warum der bescheidene, unbekannte Secretarius, der diese Beziehungen knüpfte und die Siegel unseres Ritterordens daruntersetzte, sich nicht einmal für würdig hielt, mit seinem Namen zu unterschreiben …
    Der Eritreer musterte mich lange, dann lächelte er.
    »Dieses Reisetagebuch war echt. Bouchard selbst gab es mir zu lesen«, verriet er mir aus seinem Weidensessel heraus.
    Mir kam der Gedanke, dass er vielleicht all diese Jahre hier gewartet hatte, bis endlich jemand kam und ihm diese Frage stellte.
    »Also war es nicht gefälscht?« Überwältigt von heftig widerstreitenden Gefühlen, wie selten in meinem Leben, konnte ich kaum mehr sprechen.
    Auch Naudé hatte dir in jener Nacht auf Gorgona geantwortet, dass Cassiano und die anderen
Deniaisez
weit Schlimmeres mit dem Tagebuch angestellt hatten als es einfach nur zu fälschen. Und er hatte auf Potier angespielt, einen französischen Arzt und Freund von Cassiano, |730| der aus Bologna angereist war. Aber als du ihn um Erklärungen gebeten hattest, war er ausgewichen.
    »Bouchard hatte dieses Tagebuch viele Jahre vor seinem Tod geschrieben, gleich nach seiner Ankunft in Rom«, hub der Eritreer an. »Im ersten Teil erzählt er seine Reise von Paris nach Rom im Jahr 1631, der zweite Teil erinnert an die Reise, die er 1632 von Rom nach Neapel unternahm, um sich dort auf Anraten seiner Ärzte von einer Krankheit heilen zu lassen. Dieser Teil war eine glänzend geschriebene Abhandlung voll präziser Beobachtungen der volkstümlichen Sitten und Gebräuche, das Werk eines jungen Mannes von heiterer Ironie und scharfem Blick, der alles zu kommentieren wusste, dessen Beobachtungsgabe nichts entging. Die begeisterte Schilderung ländlicher Gepflogenheiten und die Freude über das milde Klima und den Reichtum der Natur gingen stets mit einer beißenden Kritik an Unwissenheit, Ungerechtigkeit, Missständen in der Verwaltung und der Intoleranz der Menschen einher. Das Ganze wurde hinter der Maske des Orestes erzählt, dem Alter Ego Bouchards, von dem der Autor unterhaltsam in der dritten Person spricht. Nichts war erfunden. Als ausgezeichneter Philologe hatte Bouchard sich damit begnügt, von dem, was er gesehen hatte, auf die saftigste, lebendigste Art und Weise zu berichten. Von den erotischen Delirien, derentwegen diese Tagebücher berühmt geworden sind, gab es keine Spur.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Seid Ihr wirklich noch immer nicht drauf gekommen?« Grinsend zeigte der Alte seinen zahnlosen Mund. »In jener Nacht auf dem Platz vor Sankt Peter wollten sie sich Bouchards für immer entledigen. Während sein bluttriefender Leichnam noch auf dem Pflaster vor der Basilika lag, hätten sie seine Wohnung gestürmt und alle unbequemen Aufzeichnungen, seine Studien, seine Entdeckungen verschwinden lassen.

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