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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Aber es ist schiefgegangen. Mein Freund – denn wir waren Freunde, wisst Ihr? – hat nach dem Überfall sogleich Verdacht geschöpft und Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Natürlich ging Cassiano schon bald wutentbrannt zu diesem Trottel Gabriel Naudé, doch vergeblich. Seine langen Besuche bei Bouchard nutzte Cassiano, um die Wohnung von oben bis unten zu durchwühlen, während Bouchard erschöpft auf seinem Bett einschlief. Das, wonach er suchte, fand er jedoch nicht: jene geheimen Forschungen, zu denen Bouchard durch die geplante Synkellos-Ausgabe angeregt wurde. Alles, was sich nach |731| dem Attentat außer dem Synkellos selbst, von dem natürlich auch die Barberini wussten, noch in Bouchards Zimmer befand, waren wertlose Aufzeichnungen und jenes unschuldige Reisetagebuch. Dal Pozzo packte Naudé also eines Tages am Kragen und drohte ihm: Sollte er Bouchard das Versteck der Notizen über seine geheimen Forschungen nicht entlocken können, würde dal Pozzo dafür sorgen, dass Naudé es bitter bereute.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Naudé selbst hat es mir gestanden, als er mich Jahre später auf der Rückkehr von einer Reise nach Neapel besuchte. Damals war er bereits Bibliothekar von Kardinal Mazarin und reiste kreuz und quer durch Europa, um Bücher für ihn zu suchen, wie er es heute noch tut. Die Reue fraß ihn schier auf … Aber wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Naudé versuchte, Cassiano begreiflich zu machen, dass er nicht wusste, wie er es anstellen sollte, Bouchard Informationen zu entlocken. Denn Bouchard vertraute ihm nicht mehr. Schließlich musste dieser Knabenaufreißer dal Pozzo – ein Päderast wie Naudé, was Euch vielleicht nicht bekannt ist – Naudé glauben.
    Da kam ihm die Idee, das Reisetagebuch ins Spiel zu bringen. Es ist typisch für dieses gottverfluchte Pack, jemanden ausgerechnet mit den Lügen zu zerstören, die er sein Leben lang bekämpft hat. Dieses Gesindel liebt es, alle Wahrheiten in ihr Gegenteil zu verkehren. Immer. Darum lassen sie sich ja auch von hinten nehmen. Oder wühlen selbst in der Scheiße anderer, wenn Ihr das vorzieht.«
    Der Eritreer wird seinem üblen Ruf gerecht, dachte ich.
    »Ihr werdet mir meine Offenheit verzeihen«, sagte er und hob den fuchsschlauen Blick zu mir auf. »Es ist eine tödliche Tugend, müsst Ihr wissen. Bouchard ist daran gestorben.«
    »Ich glaube nicht, dass ich Euch folgen kann«, murmelte ich.
    »Cassiano dal Pozzo und die Du Puy, seine Auftraggeber, fühlten sich von Bouchard verhöhnt«, erklärte der Eritreer, »denn allen Übereinkünften der Starken Geister zum Trotz hatte er sich in den Kopf gesetzt, die Wahrheit zu verfolgen, und zwar genau jene Wahrheit, die die Starken Geister um jeden Preis zu verbergen trachteten.«
    Doch jetzt wussten sie nicht, was sie tun sollten. Ein zweiter Überfall ließ sich nicht organisieren: Der Papst hatte sogar Galeeren bewaffnen lassen, um den Botschafter nach Frankreich zurückzuschicken, falls keine Entschädigung für das Attentat angeboten wurde. Vor |732| allem aber hätte es keinen Sinn gehabt. Denn wo waren Bouchards Papiere? Wem hatte er sie überlassen? Wer würde sie eines Tages ans Licht bringen? Die Leute, die Bouchards Tod beschlossen hatten, wollten zwei Dinge sicherstellen: dass er seine gefährlichen Forschungen beendete und dass seine Papiere vernichtet wurden.
    »Bald stand jedoch fest, dass Bouchard sie irgendwo versteckt haben musste«, sagte der Alte, »oder schlimmer noch, jemandem anvertraut hatte, der sie eines schönen Tages veröffentlichen sollte. So wurde die teuflische Idee geboren, Bouchards Glaubwürdigkeit zu zerstören.«
    »Und wie?«
    »Indem man das Tagebuch veränderte.«
    »Also ist es doch gefälscht«, beharrte ich. »Oder zumindest Teile davon.«
    »Nein, das durften sie nicht tun.«
    Seit seiner Reise nach Neapel, erklärte der Eritreer, war Bouchard eng mit Marco Aurelio Severino befreundet, einem neapolitanischen Arzt und Fachmann in einer sonderbaren Disziplin: der literarischen Divination oder auch der Kunst, zu erkennen, ob eine Handschrift echt oder nachgeahmt war. Er hatte auch ein Buch darüber geschrieben: das
Vaticinator, sive tractatus de divinatione letteraria
.
    »Cassiano wusste, dass Severino, war die Nachricht von der Entdeckung jener verwerflichen Tagebücher erst einmal bis nach Neapel gelangt, unverzüglich nach Rom aufbrechen würde, um sie zu untersuchen. Die Barberini hätten ihm mit Freuden den Weg geebnet. Und wahrscheinlich

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