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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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und uns von einer Handvoll fadem Reis und Trockenobst ernähren müssen, oder zu Tode erschöpft und grausam gepeitscht ans Ruder einer osmanischen Galeere gekettet sein, wo man ständig Hunger hat, aber nur verschimmelten, feuchten Zwieback und Wasser aus fauligen Fässern bekommt und wo man unter dem Ungeziefer, dem Gestank und dem Dreck auf dem Schiff leidet. Andere würden als Sklaven eines Mannes enden, der vom Dattelwein ständig betrunken ist und sie, wenn sie nach einem harten Arbeitstag heimkehren und nicht genug Geld nach Hause bringen, mit Tritten und Hieben massakriert, ja, sofort hinrichten lässt, wenn sie aufbegehren. Man konnte auch in irgendeinem Steinbruch in der Wüste Steine klopfen, eine sechs oder sieben Cantari schwere Kette um den Hals, und nachts unter der Erde schlafen, in den berüchtigten Mattamore, entsetzlichen Grotten, wo man wie die Würmer lebt und einem des Nachts die Luft fehlt, und die Schwächsten, wenn sie am Morgen endlich nach oben steigen, um die frische Brise zu atmen, tot umfallen. Oder man würde uns, wenn wir uns nicht beeilten, bei unseren Landsleuten auf ein Lösegeld zu dringen, mit den berüchtigten Gerten aus Olivenholz, die so hart sind wie Eisenstäbe, fünfhundert Schläge auf die Fußsohlen verpassen. Manche würden in den grausigen Zellen der Sklavenbäder von Tunesien verfaulen, halbtot vor Hunger und vom Fieber, nur dank des heimlichen Erbarmens eines mitleidigen Unbekannten am Leben gehalten, während die Kerkermeister den Gefangenen wegen jeder Kleinigkeit die Nase oder ein Ohr mit dem Schwert abschlagen.
    In weniger als einer halben Stunde hatten alle Männer der französischen Besatzung und unsere Ruderer die Galeere verlassen und befanden sich jetzt auf dem Piratenschiff. Auch Rosina war dorthin gebracht worden, zu Attos Missvergnügen und zum Vergnügen des Rais. Noch einmal dankte ich Gott, dass Margherita Costa, die Schwester |105| der Checca sich nicht mit uns an Bord befand und den Korsaren somit nicht in die Hände gefallen war. Offiziere, Bereitwillige und Matrosen saßen sicherlich schon in irgendeinem Hohlraum der Karacke der Barbaresken, während die zu den Korsaren übergelaufenen Sklaven ihre wiedergewonnene Freiheit genossen. Bevor die Bereitwilligen in Ketten gelegt wurden, hatten unsere neuen Herren wahrscheinlich überprüft, ob sich unter ihnen Engländer, Franzosen oder Flamen befanden, die zu schwach und zart sind, um zu rudern.
    Unterdessen legten einige unserer Peiniger, die offenbar in Gruppen organisiert waren, Bretter zwischen die beiden Schiffe, damit der Seegang ihre Kiele nicht zusammenstoßen ließ.
    Natürlich stellten wir alle uns heimlich eine Frage: Hatten die Korsaren begriffen, dass sie ein Brandschiff erobert hatten? In den Blicken von Naudé, Schoppe, Hardouin und Guyetus las ich Wut und Angst. Gekapert, ausgeraubt und zum Teil misshandelt, sahen sie schon monate- oder jahrelange Gefangenschaft in Tunesien für sich voraus, bis jemand ein Lösegeld für sie bezahlte oder einen Austausch von Gefangenen anbot oder der Tod durch Auszehrung sie erlöste.
    Plötzlich erhob sich aus den Reihen der Korsaren abermals jubelndes Geschrei: ein schnaubender, nach allen Seiten ausschlagender Hammel wurde von einer Gruppe Korsaren über eines der Bretter zwischen den Schiffen an Bord unserer Galeere getrieben.
    Einer unserer Wächter zielte mit dem Säbel auf uns und gebot uns herrisch, aufzustehen und die nun folgende Szene aufmerksam zu beobachten. Das Tier, von einigen Korsaren bewegungsunfähig gemacht, stieß ein wütendes und zugleich panisches Geheul aus, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Nun trat ein anderer Berserker heran, der einen Dolch zog und ihn blitzschnell in der Kehle des Tiers versenkte. Der Hammel wehrte sich mit einem starken Zucken des ganzen Körpers, doch die Klinge des Schlächters erstickte seinen Todesschrei. Einer von denen, die das Tier festhielten, ließ sich von seinem Kameraden eine Schüssel geben, hielt sie unter die soeben vom Messer zerrissene Gurgel und hob die Schüssel dann mit bluttriefenden Händen triumphierend in die Höhe.
    Das Korsarenpack brach in Jubelgeschrei aus, während ihr Kamerad mit der Schüssel langsam zum Heck schritt, wo er den Fetisch zum letzten Mal mit theatralischem Gebaren präsentierte und dann das dickflüssige rote Blut ins Meer goss.
    |106| Die anderen folgten ihm mit dem leblosen Körper des Hammels. Sie packten den Kadaver an seinen vier Beinen und

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