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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Sklaven verkauft werden.«
    Der Redner machte eine kurze Pause. Dann schloss er mit ernster Miene und feierlicher Stimme:
    »Dieu grande, non haver Fanatasie! Mundo così. Si estar scripto in testa andar, bon: andar. Si no, murir qui.«

    Darauf kletterte der Korsar wieder zu uns hinunter, die letzten Meter mit einem gewandten Sprung nehmend. Seine Kameraden stießen ein dreifaches Triumphgeheul aus und verteilten sich in alle Richtungen, die einen zur Bewachung der Gefangenen, die anderen zur Plünderung der Vorräte im Schiff. In unserem kleinen, verängstigten Grüppchen, das zwei mit Säbel und Arkebuse bewaffnete Korsaren nicht aus den Augen ließen, standen wir beide noch immer nebeneinander.
    »Was hat er zum Schluss gesagt?«, fragtest du.
    »Er hat gesagt, dass Gott groß ist, und dass wir nicht auf dumme Ideen kommen sollen, leider ist die Welt so und basta. Wenn wir unbedingt wollen, können wir versuchen, von hier wegzukommen, aber wenn es uns misslingt, werden sie uns töten.«
    »Mitten auf dem Meer von einem Schiff fliehen, was für ein freundlicher Vorschlag«, bemerkte Schoppe.
    »Wahre Ehrenmänner, diese Barbaresken«, ergänzte Barbello.
    Zwei Korsaren gesellten sich zu denen, die uns bereits bewachten und begannen sofort, unsere Hände zu inspizieren. Sie wollten sehen, ob sie schwielig waren wie bei einfachen Leuten oder einen wohlhabenden |103| Reisenden verrieten, für den man ein schönes Lösegeld fordern kann. Während sie dich und Malagigi kontrollierten, warfen sie sich hämische Blicke zu, doch du verstelltest dich würdevoll und tatest, als würdest du nicht verstehen. Auch unsere Zähne wurden kontrolliert, um zu sehen, ob sie den harten Schiffszwieback brechen konnten. Beim Anblick von Schoppe und Guyetus gerieten die beiden ins Grübeln, da ihr Alter sie für einen Verkauf auf dem Sklavenmarkt wenig geeignet machte. Hinzu kam, dass der tropfnasse Guyetus das klägliche Aussehen einer gerupften, alten Möwe bot.
    Sodann wurden wir von Kopf bis Fuß durchsucht, weil sie Geld oder Wertgegenstände zu finden hofften, was eine unerfreuliche, zum Glück oberhalb der Kleidung durchgeführte Inspektion der unteren Körperteile einschloss. Wir mussten sie erdulden, ohne aufzubegehren, während sie euch Kastraten ein böses Gelächter und ungehörige Bemerkungen entlockte. Bei Barbello wurde der Sack aus Wachstuch gefunden, den er unter seiner Kleidung auf Höhe des Bauches versteckt hatte. »Das sind Kleidungsstücke. Aus Leder«, erklärte der venezianische Kastrat vor Angst zitternd, während die beiden Barbaresken rasch den Inhalt betasteten.
    Wie auch du, mein lieber Atto, dich erinnern wirst, hatten fast alle Passagiere bereits dafür gesorgt, sich sämtlicher Wertsachen, die sie am Körper trugen, zu entledigen. Ich hatte Papiere, die für uns höchst wichtig waren (Wechselbriefe, eigenhändig verfasste Empfehlungsschreiben des Großherzogs für den Pariser Hof, einen Zahlenkode für den Schriftverkehr mit dem Secretarius des Großherzogs) in einem Säckchen verstaut und dieses unter einer Bohle im hintersten Winkel des Kielraums versteckt, in der Hoffnung, es früher oder später wieder hervorholen zu können. Freilich hatte ich auch dafür gesorgt, mir und dir eine nicht unbeträchtliche Summe Geldes am Körper zu lassen, damit die Korsaren sie fanden und sich nicht verschaukelt fühlten, was dazu geführt hätte, dass sie weiter nach wertvollen Dingen suchen würden. Tatsächlich geschah es wie vorhergesehen: Die beiden entdeckten und beschlagnahmten unser Geld mit einem zufriedenen Grunzen. Guyetus und Hardouin, die nicht so vorausschauend gewesen waren, wurden sehr ungalant behandelt. Die beiden Korsaren zwangen sie mit Schlägen, das Versteck ihrer gesamten Habe preiszugeben (eine Kiste, die in einer Ecke im Kielraum geblieben war). Auch sie hatten wenig Bargeld, und auch ihre Wechselbriefe waren Namenspapiere |104| und daher für die Korsaren praktisch unbrauchbar. Auf Naudés Gutenbergbibel warfen sie nur einen angewiderten Blick: Diesen Seeleuten fehlte natürlich jedes Verständnis dafür, wie man so sperrige Gegenstände aus beschriebenem Papier mit sich führen konnte. Rosina wurde nicht angerührt. Zuletzt erhielten wir den Befehl, uns allesamt auf die Decksplanken zu setzen.
    Schon malte ein jeder von uns sich sein elendes Schicksal aus: Wir würden unser Leben entweder in der Ödnis der Berberei oder in Konstantinopel beschließen, in abgelegenen Landstrichen Vieh hüten

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