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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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von Frankreich, den einstigen Herrn über dieses Schiff. Unsere Schiffe werden bedroht, unsere Handelsflotten geplündert, Abkommen und Waffenstillstände werden gebrochen. Der Orden der Cavalieri von Malta, der unsere friedlichsten Schiffe angreift und ausraubt, besteht fast nur aus Franzosen. Der Herrscher von Tunis kann so schwerwiegende Beleidigungen nicht ungestraft hinnehmen und hat mir einen Kaperbrief ausgestellt, der mich zum Kapern ermächtigt, also dazu, Schiffe feindlicher Mächte wenn nötig mit Gewalt in Besitz zu nehmen. Nachdem wir heute aus Vorsicht eine niederländische Fahne gehisst haben, konnten wir uns, kaum dass wir unsere eigene Fahne zeigten, von den bösen Absichten und dem Misstrauen Eures Kapitäns überzeugen: Wir wurden aus Kanonen beschossen und durch Eure Flucht beleidigt, mit der Ihr uns behandelt habt, als wären wir ein Transport von Pestkranken.«
    Niemand von uns wagte es, auf diese schamlose Rede zu antworten oder gar ihren unerhörten Lügen zu widersprechen. Die Barbaresken waren Meister im Verdrehen der Tatsachen: Sie achteten stets darauf, dass die europäischen Staaten sich mit mindestens einem der drei Barbareskenreiche offiziell im Krieg befanden. Wenn Venedig Frieden mit Algier schloss, fand Tunis rasch einen Vorwand, um Venedig den Krieg zu erklären; wenn Spanien sich mit Tunis versöhnte, erklärte Tripolis flugs wegen irgendeines dummen Streits zwischen Kapitänen, dass seine Hoheitsrechte verletzt worden seien und begann, spanische Schiffe zu entern. Und sobald Frieden zwischen Frankreich und allen drei Reichen herrschte, verlegten diese sich auf das Kapern französischer Schiffe, weil der Orden der Cavalieri von Malta, der schon seit jeher im Mittelmeer Piraten und Korsaren bekämpfte, um den freien Handel und die Ehre der christlichen Religion zu schützen, zum guten Teil aus Franzosen bestand. Es war zwecklos, mit den Barbaresken zu diskutieren, sie waren und blieben Räuber. Zudem hatten sie nichts zu befürchten, war über sie alle doch mehr oder weniger |111| großzügig der schützende Schirm des Sultans von Konstantinopel aufgespannt.
    Nachdem er unsere Demütigung und unser Schweigen ausgekostet hatte, verkündete Ali Rais:
    »Ehrenmännern wie Euch kann man nicht zumuten, mit uns Barbaresken zu reisen. Darum gestatte ich Euch, hier auf dieser Galeere der französischen Hunde zu bleiben, an deren Geruch Ihr ja mittlerweile gewöhnt seid.«
    Die Korsaren, die sich derweil in einem Halbkreis hinter ihrem Anführer aufgestellt hatten, brachen in ein unbändiges Gelächter aus.
    »Ruhe!«, befahl Ali und hieb mit dem Säbel ein Tau zu seiner Rechten durch, das zwischen dem Deck und der Spitze des Mastes gespannt war und nun unter großem Getöse eine hölzerne Rahe auf die Planken stürzen ließ. Die Konstruktion streifte wunderbarerweise lediglich den Kopf des Korsarenführers, ohne dass dieser sich auch nur eine Handbreit von der Stelle bewegt hätte. Das Bravourstück wurde von dem Piratengesindel mit einem Chor begeisterter Ausrufe und fettem Gelächter aufgenommen.
    »Und jetzt stellt euch vor, verfluchte Nazarener!«, brüllte das Oberhaupt der Korsaren, ohne auf den Beifall seiner Leute zu achten.
    Überrascht von dieser Aufforderung blickten wir uns zögernd an.
    »Du!«, rief Ali, ließ den Säbel in der Luft kreisen und zielte dann mit der Spitze auf die Mitte unserer kleinen Schar. »Dein Name, woher du kommst und was du in Frankreich machen wirst.«
    Armer Atto, unter allen hatte Ali Rais ausgerechnet dich, den Jüngsten, ausgesucht.
    »Atto Melani aus Pistoia«, antwortetest du mit deinem feinen, aber festen Stimmchen.
    Der Korsar beugte sich ein wenig zur linken Seite, um zu hören, was sein lockenköpfiger Gehilfe ihm ins Ohr flüsterte. Dann grinste er boshaft, womit er zu verstehen gab, dass er von deinem besonderen Zustand als eines Entmannten unterrichtet war. Offenbar hatten die Korsaren bereits erste Auskünfte bei den türkischen Galeerensklaven eingeholt, die unser Schiff gerudert hatten. Wertvolle Informationen, bei denen es vor allem um den Zweck der Reise eines jeden Passagiers ging, denn danach bemaß sich die Höhe des möglichen Lösegeldes. Ali Rais strahlte zufrieden: Kastraten, eine ausschließlich italienische Spezialität, die sogar von der französischen Marine nach Frankreich |112| geleitet wurden, konnten von niemandem sonst als dem Regierenden Minister Kardinal Jules Mazarin persönlich zum Singen an den Hof gerufen worden

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