Das Mysterium der Zeit
aufgeregt in seinen Hosentaschen, dem Reisesack, dem Mantel, um zu überprüfen, welch hochwichtiges Papier, welches Säckchen Goldmünzen, welcher Reisepass in den Fluten verlorengegangen war. Mir war es zum Glück gelungen, das, was ich den Klauen der Barbaresken hatte entreißen können, nicht an das Meer zu verlieren.
Naudé hielt seinen schweren, sperrigen Tornister aus hartem Leder mit der kostbaren Kopie der Bibel noch immer an seine Brust gepresst. Unsere erste Sorge war, eine geschützte Schlucht zu finden, wo wir ein wenig ausruhen und, von Ali Ferrarese unbeobachtet, vielleicht ein Feuerchen anzünden konnten. Während wir uns vorantasteten, stießen wir uns schmerzhaft die Knie an den Klippen und rissen uns die |174| Hände auf, wenn wir uns an den spitzen Felsen festhielten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Endlich fanden wir eine kleine Nische in einem Felsen, wo die Windböen ein Feuer nicht ausblasen würden. Mit Hilfe einiger an der salzigen Luft vertrockneter Algen und etwas Gestrüpp entfachten wir ein Feuer, das die Körper nur schwach, die Herzen aber zur Genüge erwärmte. Alle Nazarener unter uns, die einen inständig, die anderen eher mechanisch, aus Gewohnheit, sprachen als Zeichen der Dankbarkeit für die Errettung aus der Gefahr dreimal das Te Deum. Nur Guyetus, dieser Ungläubige, sagte kein Wort. Die beiden Barbaresken, die das erhabene Dankgebet nicht kannten oder vergessen hatten, falteten widerwillig die schwieligen Hände zum Zeichen des Gebets und versuchten, es uns mit einem wirren Stammeln nachzutun, konnten aber stets nur die letzte Silbe jedes Wortes wie ein Echo wiederholen.
Dann betteten sich alle, so gut es irgend ging, auf die Steine, mit dem einzigen Wunsch, festen Boden unter den Knochen zu spüren. Auch ich verlangte nichts weiter, als den neuen Tag abzuwarten und mich nicht aus dieser kleinen, gastfreundlichen Höhle fortbewegen zu müssen. Als der Wind nach einer Weile umschlug, mussten wir das Feuer löschen, da es uns einräucherte. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass du bei guter Gesundheit warst und nur Schlaf brauchtest, legte ich mich wie ein Wilder auf den harten Boden und fiel fast sofort in eine schwarze Hypnose ohne Wünsche und Träume.
Wie befürchtet, währte der Schlaf kürzer als erhofft. Schon immer hatte ich unter Insomnie gelitten, und vielleicht war mein armer Leib von der überstandenen Gefahr noch nicht genügend erschöpft, jedenfalls genügte ein leichter Stoß am Arm, mich zu wecken. Ich blieb reglos liegen, und mein suchender Blick traf auf deine weit geöffneten Augen, die mich anstarrten. Du gabst mir stumm, mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass ein dunkler Umriss sich von der kleinen Höhle entfernte. Und sofort folgte die nächste Überraschung: Ein zweites Individuum ging in die gleiche Richtung wie das erste. Anscheinend planten diese beiden etwas. Waren es die Barbaresken?
Kaum hatte das verdächtige Paar sich entfernt, erhoben wir beide uns so leise wie möglich und schickten uns an, ihnen zu folgen. Alle anderen waren eingeschlummert, wie es schien.
Die beiden Verschwörer konnten sich noch nicht weit von unserem Versteck entfernt haben. Der Mond schien jetzt etwas heller, doch die |175| Gefahr, hinzufallen und sich zu verletzen, wenn man zu schnell zwischen den Klippen voranging, war dennoch groß. Bald hörten wir eine flüsternde Stimme und eine andere, die von Zeit zu Zeit einsilbig antwortete. Die beiden waren stehengeblieben und sprachen miteinander. Als wir die Stimmen erkannten, waren wir erleichtert. Nicht die beiden Barbaresken unterhielten sich dort in der Dunkelheit, sondern Guyetus und Schoppe. Letzterer sprach leise, aber in einem aufgeregten, misstrauischen Tonfall. Das Gespräch fand sozusagen auf neutralem Boden statt, darum sprachen beide Italienisch und duzten sich, eine Vertrautheit, die sie sich gegenüber Dritten nicht gestatteten und die Schoppes Eloquenz nicht im Mindesten schmälerte:
»… also auch bei dir genau dasselbe Vorgehen. Der Brief aus Italien, die Einladung und die Geschichte von den Handschriften. Sicher hast du auch an einen Scherz gedacht.«
»Natürlich, Caspar, aber dann …«, versuchte Guyetus mit einem leicht ungeduldigen Unterton zu antworten.
»Ich weiß, du hast dich in Florenz informiert, wie ich auch, und hast erfahren, dass Poggio Bracciolini, als es ans Krepieren ging, tatsächlich einen Berg Handschriften hinterlassen hat.«
»Genau«, pflichtete der andere
Weitere Kostenlose Bücher