Das Mysterium der Zeit
Schulter und fragte dann wie aus der Pistole geschossen:
»Der Mönch – was hältst du davon?«
Guyetus zögerte.
»Ich weiß nicht … Ich weiß nicht, ob er in Lyon ist oder woanders. Meiner Meinung nach könnte er überall sein, vielleicht sogar irgendwo im Großherzogtum, vielleicht in Florenz.«
Guyetus verriet Schoppe nicht, dass Philos Ptetès möglicherweise auf Gorgona war.
»Aber dann müssen wir aufs Festland zurückkehren!«, rief der temperamentvolle deutsche Herr aus.
»Für mich ist es zu spät. Ich bin müde und habe genug von der ganzen Geschichte. Ich möchte nach Paris zurück, wenn wir lebend hier herauskommen.«
An dieser Stelle brach das Gespräch ab. Guyetus kehrte zu seinem Lager zurück, und wir mussten uns in den Schatten ducken wie Eidechsen, um nicht entdeckt zu werden. Schoppe folgte, begierig, das Gespräch fortzusetzen.
Wir warteten geduldig, bis die beiden sich hingelegt hatten und von ihrem Lager nicht mehr der leiseste Laut zu hören war. Erst dann kehrten auch wir auf unsere improvisierten Schlafstätten zurück.
|178| DISKURS XXIII
Darin es zuerst eine böse Überraschung gibt. Dann beginnt man, die Insel zu erkunden und stößt alsbald auf die Torre Vecchia.
Ich schlief wieder ein. Kurz bevor der Morgen graute, wurde ich jedoch geweckt. Ich meinte, ein Geräusch gehört zu haben. Als ich die Augen öffnete, war ich nicht mehr sicher, ob ich geträumt hatte oder nicht. Doch ich musste nur den Kopf zu dir wenden, um zu begreifen.
Hätte ich mich freuen sollen? Vielleicht ja, nach all den Reden, die ich dir gehalten hatte, doch stattdessen packte mich eine finstere Wut, erst auf mich selbst, dann auf dich, der du frech in nächster Nähe dalagst und dich im Liebesspiel erwärmtest, Barbellos Kopf zwischen deinen Beinen, während dein Mund, der in der Öffnung seiner Hosen verschwand, ebenfalls eifrig Lust spendete.
Er war zu dir gekommen, dieser kleine, lüsterne Kastrat, und diesmal hattest du ihn erhört. Wenn du mir damit erklären wolltest, dass du meinen Empfehlungen endlich zu folgen gedachtest, nun, dann hättest du einen diskreteren Weg wählen können, statt direkt neben mir deine Spielchen zu treiben. Ich versuchte, meinen Zorn mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen zu ersticken, dann sprang ich auf. Die Kälte, die dem Morgen vorausgeht, kroch mir in die Knochen, doch meine Glieder spürten keine Müdigkeit. Ich ging ins Freie und erblickte den ersten Schimmer der rosenfingrigen Morgenröte. Hatten sich nicht noch in dieser Nacht schwarze Flammen des Abscheus in deiner Brust entzündet, mein Atto, als du hörtest, dass Naudé an dem gemeinen Laster teilnahm? Ich hatte dir genau ins Gesicht gesehen, ich konnte mich nicht täuschen! Was nur hatte, wenige Minuten später, Barbellos Sieg bewirkt? Ach, ich bin ein Dummkopf, sagte ich mir – hatte ich doch selbst gesehen, wie du seine Hand hieltest, nachdem du die Peitschenhiebe von Ali Ferrarese auf seinem Hinterteil verarztet hattest, als wir noch auf dem Brandschiff in Gewalt der Barbaresken waren. Ich hatte an Mitleid mit deinem so grausam gequälten Schicksalsgenossen geglaubt. Aber nein, da war mehr. Darum hatte Pasqualini, der dich väterlich liebte, und dem du die Liebe eines Sohnes entgegenbrachtest, sich zwischen euch und den Rest der Gruppe gestellt und seinen Mantel geöffnet, um euch zu verbergen, als Barbellos Hinterbacken versorgt werden mussten. Ich hatte geglaubt, er wolle die |179| Szene schamhaft verhüllen, da Barbello ja vom Gürtel abwärts nackt war. Stattdessen wollte er eure schmutzige Tändelei vor den anderen verstecken. Ja, du bist wirklich mein gehorsamer Schützling, da gab es nichts einzuwenden, schloss ich, mich selbst verspottend.
Die Sonne wärmte nicht im Geringsten, denn die gesamte Himmelskuppel war von einem dichten Dunstschleier bedeckt. Wir befanden uns auf der Westseite der Insel, wohin am Morgen wegen der hier sehr hoch aufragenden Klippen kein einziger Sonnenstrahl gelangte.
Kurze Zeit später erwachten die anderen der Gruppe einer nach dem anderen, bis ins Mark durchfroren und vor Hunger und Erschöpfung schwankend. Du stelltest dich an meine Seite. Aus dem Augenwinkel versuchte ich zu erspähen, ob du eine zustimmende Äußerung zu der Neuigkeit von mir erwarten würdest, da du sie mir ja direkt unter die Nase gehalten hattest. Aber du erwähntest die Sache mit keinem Wort.
Stumm traten wir den beschwerlichen Weg über die Felsen an, misstrauisch
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