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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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konnte. Es heißt, eines schönen Tages sei er urplötzlich aus dem Nichts auf dem Marktplatz von Tunis aufgetaucht, in der Hand eine Tasche voller Goldmünzen und den Befehl des Regenten, eine Rudermannschaft zu rekrutieren, um eine Karacke auszurüsten, und zwar genau das Schiff, das ihr heute gesehen habt.«
    Und langsam verbreitete sich von Livorno bis Toulon, von Malta bis Cadiz das Gerücht, der große Ali Ferrarese, einer der schrecklichsten Barbareskenführer aller Zeiten, habe wieder begonnen, zwischen Tunis, Neapel und Frankreich auf Kaperfahrt zu gehen und mache noch größere Beute als früher.
    Außer den Inquisitoren, die ihn jahrelang eingeschlossen hielten, hätte ihn mittlerweile niemand mehr mit Sicherheit wiedererkennen können, und Bildnisse gab es keine. Die Zeugen beschrieben ihn als einen Mann in mittleren Jahren, kräftig, jedoch nicht groß, von feurigem Temperament, mit einem roten Bart und heller Haut, vermutlich Linkshänder, denn er schlug die Christen immer mit der linken Hand.
    Wie hatte Ali Ferrarese es fertiggebracht, in die Freiheit zurückzukehren? Dies war das letzte und am tiefsten verborgene Geheimnis, das niemand ergründen konnte außer einigen Männern aus den höchsten Rängen der spanischen Inquisition, einem oder zwei zuverlässigen sizilianischen Inquisitoren, dem spanischen Vizekönig von |168| Neapel, dem König von Spanien und wahrscheinlich dem Regenten von Tunis.
    »Verflucht, eins schwöre ich: Wenn er mir eines Tages sein Geheimnis anvertraut und mir erlaubt, es zu verbreiten, werde ich ein Buch darüber schreiben.«
    »Ein Buch?«, fuhr Hardouin erstaunt auf.
    »Ja, ein Buch. Wenn ich es nicht allein schaffe, werde ich es jemandem diktieren, der besser schreiben kann als ich. Und auf eins könnt ihr wetten: Alis Geschichte wird die Menschen noch in dreihundert Jahren in Erstaunen versetzen, ich bin sogar sicher, dass …«
    Kemal wurde von Pasqualini unterbrochen, der das Ruder losgelassen, eine Hand ins Wasser getaucht hatte und wie von einem Skorpion gestochen aufgesprungen war.
    »Seht her!«, rief er, mit triumphierender Gebärde einen großen, tropfnassen Zweig durch die Luft schwenkend.
    Wir betrachteten ihn erstaunt, ohne recht zu wissen, was wir aus dieser Entdeckung schließen sollten. Nur Kemal begriff:
    »Das ist der Zweig einer Pflanze mit vielen Beeren. In der Nähe ist Land«, verkündete er.

DISKURS XX
    Darin endlich Land gefunden wird, man aber entdecken muss, dass der Lichtschein von Leuchttürmen Seefahrern nicht immer dienlich ist.
    Die beiden Barbaresken, Pasqualini und Hardouin hatten sich nicht umsonst in die Ruder gelegt. Noch leuchtete ein schwacher Widerschein der untergehenden Sonne am Horizont, der uns gestattete, weitere Zweige wie den ersten zu erspähen, und die endgültige Bestätigung, dass Land in der Nähe sein musste, erhielten wir von einem Pärchen Kormorane.
    »Manche Möwenarten leben auf hoher See«, erklärte Kemal, »Kormorane aber entfernen sich nie weit von der Küste, sie bauen ihre Nester sogar im Landesinneren.«
    Wenn wir wirklich in der Nähe einer Insel waren, konnte es sehr gut Gorgona sein, denn die anderen Inseln im Meer der Toskana lagen |169| nicht so nah an unserer Route. Obwohl wir sie nur sehr ungenau hatten bestimmen können, waren wir auch nicht so weit von ihr abgewichen, dass wir in die Nähe des Festlands geraten wären, also in die entgegengesetzte Richtung. Gorgona liegt nämlich auf einer Linie zwischen Livorno und Toulon, und der Überfall der Barbaresken hatte uns fast nicht von dieser Route abgebracht. Wir hatten sie nur einmal verlassen, als wir Abstand zu dem versinkenden Brandschiff nehmen mussten.
    Jedes Geräusch auf dem Boot war plötzlich verstummt. Alle Augen musterten den Horizont, um die Umrisse der Insel zu erspähen, alle Ohren waren darauf gespitzt, Vogelschreie zu hören, das erste sichere Zeichen, dass Land in der Nähe war. Ein Wind erhob sich, worauf wir uns bekreuzigten. Es war ein Wunder, dass sich bis jetzt nicht das kleinste Anzeichen eines Sturms geregt hatte, doch vielleicht würden wir von nun an weniger Glück haben.
    Tatsächlich gewahrten wir, dass die Wellen anschwollen, ihre Kämme sich unter dem Wind zu kräuseln begannen und zu kleinen Schaumkronen wurden. Das Problem bestand nicht darin, den Kurs zu halten, denn der Wind und die Strömung trugen uns zum Glück in die gewünschte Richtung, sondern zu verhindern, dass Wasser ins Boot schwappte und die Wellen unsere

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