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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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lakonisch bei und gähnte ostentativ, wie um Schoppe nicht zu weiteren indirekten Fragen zu ermutigen.
    Der Deutsche kam aus der Deckung: »Lass uns offen sprechen: Du bist einer von diesen Starken Geistern, einer vom Schlage Naudés.« Er nannte den Namen, mit denen die Freunde des Bibliothekars von Mazarin sich gerne bezeichneten. »Eine Sippe von Atheisten, kurz gesagt, und vergib mir, wenn ich kein Blatt vor den Mund nehme, ein Luxus, den ich mir in meinem Alter wohl erlauben darf«, präzisierte er, als wäre er in jungen Jahren jemals diplomatisch gewesen, »aber persönlich glaube ich, dass du über gewissen Seichtheiten stehst, entschuldige das Wortspiel. In der Tat misstraust du Gabriel ja auch. Obwohl er, wie es scheint, aus einem ganz anderen Grund hier ist, nicht wegen der Papiere des Mönchs, könnte er, wie du weißt, als Erster an das ganze Zeug herankommen und dich reinlegen.«
    »Auch du könntest mich reinlegen, Caspar.«
    »Oh! Haha!«, lachte Schoppe verlegen, »diese Frage existiert für mich gar nicht, ich meine, wir reden doch jetzt als Freunde, und ich möchte, dass wir Freunde bleiben. Ich könnte dich gar nicht verraten, immerhin hast du mich vor den Korsaren gerettet. Was ich dir jetzt sagen |176| will: Du bist doch vertraut mit Du Puy, mit der Tetrade, mit dieser ganzen Sippschaft aus Pariser Ungläubigen: Ménage, Luillier … Aber Gabriel traust du nicht, hab ich recht? Und ich weiß genau, warum. Sprechen wir Klartext: Du bist ein richtiger Gelehrter. Er hingegen hat Medizin studiert und ist nicht einmal promoviert. Nun gut, man hat ihm den Titel in Paris verliehen, bloß weil er eine schöne Abschiedsrede an die Doktoranden gehalten hat, wie nennt ihr das in Frankreich, den …?«
    »Der Paranimf.«
    »Eben, der Paranimf. In Wirklichkeit hat man ihn an seiner Fakultät nicht einmal zu den Abschlussexamen zugelassen, weil er sich zu lange ein feines Leben in Italien gemacht hat.«
    »Caspar, ich bitte dich, zwing mich nicht, ausfallend zu werden«, unterbrach ihn der andere ungeduldig. »Ich habe jahrelang das Steinleiden gehabt, man hat mich sogar operiert, um diese verfluchten Steinchen zu entfernen. Wir sind auf dieser Insel gestrandet. Jetzt hältst du mich wach, weil du unter vier Augen mit mir sprechen willst. Gut, auch das. Aber ich sage dir: Ich schmiede nicht gerne Ränke hinter dem Rücken von ehrbaren Kollegen. Ist das klar?«
    »Ehrbar?«, schnaubte Schoppe. »Und was hat er in Rom mit diesem Bouchard getrieben? Aus Bouchards Tagebüchern hat man nach seinem Tod erfahren, dass das schamlose Päderasten waren, die sogar auf der Straße Anstoß erregten.«
    Ich sah dich zusammenzucken: Naudé gehörte also auch zu jener verabscheuungswürdigen Sorte Menschen, die dich zu ihrem eigenen Vergnügen als Kind kastrieren ließen. Fast meinte ich in der Finsternis zu sehen, wie dein Körper zu Stein wurde und du in unergründliche Grübeleien versankst. Ansonsten sagten dir diese Namen wenig oder gar nichts; für mich hingegen war das ganze Gespräch, gelinde gesagt, eine Sensation. Nicht wegen des quälenden Gedankens an den Schatz des Mönchs – die Leidenschaften der Gelehrten waren mir bereits bekannt. Nein, das, was Schoppe gesagt hatte, ließ einige trübe Hintergründe in Naudés Leben erkennen, private wie mit seinen Studien verbundene. Doch vor allem wurde mir jetzt klar, dass mein kurzer Dialog mit Naudé auf dem Rettungsboot heimliche, unaussprechliche Reaktionen in ihm ausgelöst haben musste. Ich hatte von Bouchard gesprochen, und jetzt hörte ich den bestens informierten Schoppe sagen, dass er in das unsägliche Treiben des Bibliothekars verwickelt war. |177| Und ich dachte an dich, Atto, daran, wie schwierig es ist, Abstand von dem zu gewinnen, was sogar in der Gelehrtenrepublik viele mit Nachsicht oder Einverständnis behandeln.
    »Jene, die schlau machen, nennen sie sich!«, stieß Schoppe angewidert hervor, »nur um die Sache nicht beim Namen zu nennen: sie sind alle Päderasten. Komm schon, mein Freund, erzähl mir nicht, dass in Frankreich nicht darüber geredet wird!«
    »Caspar, das sind keine Themen für mich. Über solche Dinge kann ich nicht sprechen. Ich habe nur meine Studien, wie du sehr gut weißt, und jetzt hör auf damit, sonst jage ich dich zum Teufel.« Der alte Pariser Philologe blieb hart.
    »Schon gut, nicht doch, sag so etwas nicht, mein Freund.« Schoppe trat einen Schritt zurück, legte seinem Gegenüber beschwichtigend eine Hand auf die

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