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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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schlugen also den Weg ein, der am Gebirgskamm entlang zum Turm führte. Links bot sich uns der schwindelerregende Anblick des offenen Meeres, das sich bis zum Horizont erstreckte; auf der anderen Seite zeigten sich, wenn der dichte Baumbestand den Blick freigab, die grünen, fruchtbaren Hügel von Gorgona, deren feuchte Erdschollen ich fast einzeln erkennen konnte. Hier, wo die Insel sich von der Herrschaft der felsigen Küste befreite, ließ sie ihr Gewand aus rauen Klippen fallen und entpuppte sich als eine Schwester der sanften toskanischen Hügellandschaft, die terrassenförmig abgestuft und reich an Wein, Obst, Öl, Hasen und Fasanen ist.
    Der Weg, auf dem wir voranschritten, war ein steiniger, vom Regen ausgewaschener Pfad, der sich mit leichtem Auf und Ab über den Kamm schlängelte. Unsere erschöpfte Truppe, eine bizarre Ansammlung aus Kastraten, einem Secretarius, schmutzigen Piraten und jammernden alten Gelehrten schleppte sich, gegen Hunger und Durst ankämpfend, |184| mühsam voran. Plötzlich gaben Macchia und Büsche den Blick frei, und wir hielten ehrfürchtig inne vor dem ungewöhnlichen Bild: Vor uns zeichnete sich im hellen Morgenlicht die majestätische Silhouette der Torre Vecchia ab.
    Allein die schwindelerregende Lage der Festung war Anlass zu größtem Staunen. Sie erhob sich nämlich auf einem Felsvorsprung und ragte gleich einem Adlernest gefährlich weit über den Abgrund der Klippen hinaus. Ihr Grundriss war ein unregelmäßiges Sechseck, das Profil hingegen spiralförmig: Die Mauern, auf der uns zugewandten Seite niedriger, wanden sich, der natürlichen Neigung der Klippe folgend, um die Mitte der Anlage herum bis hinauf zu dem hohen, zinnenbewehrten Turm. Er beherrschte die kleine Festung und die gesamte Umgebung, stolz bis zu jener trügerischen Grenze blickend, die wir alle als Horizont bezeichnen. Die Torre Vecchia war gewiss von toskanischen und Genueser Militärbaumeistern als Beobachtungs- und Verteidigungspunkt gegen die Raubzüge der Barbaresken errichtet worden, ebenso wie Dutzende andere, seit Jahrhunderten an allen Küsten Italiens verteilte Wachtürme, die jedoch viel kleiner sind als die eindrucksvolle Festung, vor der wir jetzt standen. Lange Zeit musste sie ihre Aufgabe hervorragend erfüllt haben: von der Spitze ihres Turms aus konnte man den gesamten Schiffsverkehr vom Ligurischen Meer bis zum spanischen Vizekönigreich Neapel und Sizilien überblicken, und gewiss hatten ihre Kanonen viele Segelschiffe der verbrecherischen Korsaren von Gorgona und dem umliegenden Meer ferngehalten.
    Die waldige Vegetation, die den Bau umgab, konnte nicht alt sein. Solange die Torre Vecchia benutzt wurde, hatten ihre Bewohner sicherlich alles beseitigt, was den freien Blick auf die Umgebung hinderte. Jetzt hingegen konnte man sich den Mauern nähern, ohne gesehen zu werden.
    Die dem Weg, auf dem wir gekommen waren, zugewandte Mauerseite ruhte auf einer abschüssigen Felswand, gestützt wurde sie von einem Bogen aus Ziegelsteinen, der unerfahrenen Augen wie ein später zugemauertes Eingangstor erscheinen mochte. Dem Besucher präsentierte die Torre Vecchia sich damit wie für immer versiegelt und tot. Doch beim Näherkommen änderte sich der Eindruck. In den zur Inselseite gelegenen Mauern gab es fast keine Fenster, was den Verdacht aufkommen ließ, die Festung sei besetzt. Der Pfad führte unmittelbar |185| an die gewaltigen Steinmauern heran, bis man ihre ganze erdrückende Höhe gewahrte und nicht umhin konnte, sich zu fragen, wie zum Teufel Baumeister, Maurer und Arbeiter es nur vermocht hatten, diese Festung Stein für Stein direkt am Abgrund aufzubauen, und wie sie so sicher sein konnten, dass der Fels unter ihrem Gewicht nicht nachgeben würde.
    Kam man näher, wuchs das Staunen noch mehr. Die Bastionen waren aus dem schroffen, scharfkantigen Gestein der Klippen erbaut – in zermürbender, höllisch schwerer Arbeit war das Felsgestein aus dem Riff gebrochen, zu Blöcken gehauen und übereinandergestapelt worden. Wie viele Hände, wie viele Arme bemitleidenswerter Arbeiter hatten sich monatelang auf der Spitze dieser Klippe mit dieser mühsamen Arbeit geschunden? Wie vielen von ihnen war ein nachgebender Stein, ein wackeliges Gerüst zum Verhängnis geworden und hatte sie in den Abgrund stürzen lassen, sodass sie auf dem steinigen Strand zerschellten? Doch die Vision der Leiden dieser Unglücklichen löste sich auf wie der heisere Schrei der Möwen, die hoch über unseren Köpfen

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