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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Schritte, zu denen Kemal beim Aufsteigen gezwungen war, jeden Moment von dessen Rücken zu fallen drohe. Du und Barbello wart unzertrennlich, und Malagigi – ich war entsetzt, als ich es gewahrte! – blinzelte euch verschwörerisch zu. Ein Trost lag nur darin, die Schönheit der Insel zu entdecken, während das Panorama ringsum sich weitete.
    Auf den Felsen, die eine Art steinernen Wald bildeten, wuchs eine herrliche Macchia aus Rosmarin, Myrte, Mastix, duftender Erika und klebriger Zistrosen. Diese Vegetation ging an den unwegsamsten Ecken, scharfkantigen Felsvorsprüngen, die zwischen Himmel und Erde zu schweben schienen, in Katzenminze, Erdbeerbaum und Levkoje über, widerstandsfähigen Pflanzen, die dem Wind des Toskanischen Meeres zu trotzen vermochten. In der von Windböen gepeitschten Höhe wuchsen Steineichen, Kastanien, Ulmen und Aleppo-Kiefern aus den Felsen. Das Meer zu unseren Füßen prunkte schon lange nicht mehr mit seinen sommerlichen Farben, diesen klaren blauen, opalenen und smaragdgrünen Tiefen, die wie eine flüssige Metamorphose des toskanischen Marmors aus Carrara, Colonnata und Campocecina erscheinen, sondern hatte die mürrischen, öligen |182| Töne der Wintermonate angenommen, gesprenkelt mit dem weißlichen Schaum der Wellenkämme und jener an den Klippen zersprühenden Brecher, denen wir bei unserem gestrigen Schiffbruch nur knapp entronnen waren. Mit jedem Schritt öffnete sich das immense Panorama des zu Korsika hin gelegenen Meeresarmes, um dessen Kontrolle Spanier und Franzosen stritten.
    Beim Aufstieg schien der Turm schließlich hinter einigen Felszacken zu verschwinden. Nach einer halben Stunde Wegs gelangten wir auf den Gebirgskamm und konnten einen Blick auf das Innere der Insel werfen. Endlich, dachten wir alle, würden wir die gegenüberliegende Seite nicht nur der Insel, sondern auch des Toskanischen Meeres sehen. Wir würden das Auge über das Meer bis zur Küste nach Livorno schweifen lassen und vielleicht auch ein vorüberfahrendes Schiff erspähen, das uns Rettung bringen konnte.
    Die Enttäuschung war ungeheuer: ein undurchdringlicher Teppich aus dichter Vegetation verwehrte es uns, irgendetwas auf der Insel Gorgona zu erkennen. Der Meeresabschnitt zwischen der Insel und Livorno blieb unseren Blicken ebenfalls verborgen. Nur der weit entfernte Horizont bot eine großzügige Sicht auf die Küste des Großherzogtums. Doch es gab keinerlei Hoffnung, von hier oben vorüberfahrende Schiffe zu erspähen oder von ihnen gesehen zu werden.
    »Und jetzt?«, fragten wir die beiden Korsaren.
    »Wir müssen die Straße suchen. Von hier aus kennen wir nur den Weg zur Quelle. Sie liegt weiter vorn, mitten in den Wäldern«, sagten die beiden Barbaresken, die mit der Truppe von Ali Ferrarese schon auf vielen Inseln Wasser geholt hatten. »Wenn wir Glück haben, können wir unseren Durst bald stillen.«
    Der Weg zur Quelle, auf dem uns die beiden Korsaren anführten, zwang uns, mitten durch das undurchdringlichste Dickicht zu gehen. Eine weitere gute halbe Stunde suchten wir, immer noch in Grüppchen, den Graben, wo man, den beiden Korsaren zufolge, aus einer natürlichen Quelle Wasser schöpfen konnte.
    »Das reicht jetzt!«, jammerte Guyetus, der es müde war, von dir durch stachelige Sträucher und Büsche gezerrt zu werden. »In meinem Alter kann ich mich nicht mehr mir nichts, dir nichts, vom Schiffbrüchigen in einen Bergsteiger und vom Bergsteiger in einen Urwaldmenschen verwandeln!«
    Die Korsaren mussten zugeben, dass sie die Stelle, wo Wasser aus |183| dem Fels quoll, nicht finden konnten. Alle sahen die beiden misstrauisch an: Waren sie schlicht und einfach dumm oder hatten sie eine böse Überraschung für uns parat? Die Piraten schworen Stein und Bein, dass sie die Wahrheit sagten. Uns blieb nichts anderes übrig, als aufzugeben.
    Nach dieser langen, vergeblichen Suche waren alle am Ende ihrer Kräfte. Seit vielen Stunden hatten wir nichts mehr getrunken und gegessen. Wie viele Tage würden wir auf der Insel ausharren müssen, bis Hilfe kam? Da machte Malagigi den Vorschlag, der schon seit einiger Zeit in der Luft gelegen hatte:
    »Wir gehen zur Torre Vecchia. Hoffen wir, dass es dort drinnen etwas zu essen gibt.«
    »Und wie wollt Ihr in einen befestigten Turm hineinkommen?«, fragte Naudé polemisch.
    »Indem wir anklopfen, natürlich!«, erwiderte Pasqualini mit grimmiger Heiterkeit.

DISKURS XXV
    Darin die Torre Vecchia sich weniger uneinnehmbar zeigt als erwartet.
    Wir

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