Das Mysterium Des Himmels
Unruhe machte ihn fahrig. Als sich der Himmel dunkel färbte und die Wellen nach dem Schiffchen schlugen, da wünschte er sich, wieder an Land zu sein. Rasend schnell verschlechterte sich die Wetterlage und es war kein Land mehr in Sicht. Der Wind wurde immer heftiger und drückte Wasserschleier über den Kahn, die seine Insassen schnell bis auf die Haut durchnässten. Palmiras schwarze Haare trieften vor Nässe und sie stand wie aus Stein gemeißelt, während Ekuos von einer Seite zur anderen stolperte und aufpassen musste, um nicht aus dem schwankenden Boot zu stürzen. Die Strömung und die aufgepeitschten Wellen warfen den Kahn hin und her. Brodelnd und fauchend wütete Bedaius unter ihnen. Und plötzlich war es still. Ruhe kehrte ein, niemand sprach ein Wort. Ekuos wagte es nicht, sich nach dem weisen Mann und dem Fischer umzudrehen. Sein Instinkt trog nicht, denn nun kam die schwarze Nacht von der anderen Seite auf sie zu. Zunächst wehte es nur leicht, um dann sehr schnell in Windböen überzugehen, die sich zu einem mächtigen Sturm erhoben. Das Boot wurde herumgeschleudert, schäumend und wirbelnd kochte der See und sog die Atemluft in die Tiefe hinab. Ekuos keuchte schwer. Das Wasser ließ den Kahn im Kreis tanzen, hob ihn hoch, um ihn gleich darauf wieder aufschlagen zu lassen. Ekuos stürzte und schlug mit dem Kopf auf. Die Haut platzte und Blut lief ihm am Kinn zusammen und tropfte von dort auf das Holz. Er spürte es nicht einmal. Blitzschnell brach der Himmel auf und runde Eisstücke prasselten auf das Boot und in den See. Schutzlos und dem Willen Bedaius’ ausgeliefert, ergab Ekuos sich in sein Schicksal.
Wer konnte es wagen, einem Gott etwas entgegenzusetzen?
Es war vorbei. Noch ehe Ekuos zur Besinnung kam, strahlte der Himmel und der See plätscherte ruhig und sanft im Licht. Eine kräftige Beule fühlte er auf seinem Kopf, bevor das Boot den Strand der Insel erreichte, auf der sich der Tempel des Bedaius befand. Sie mussten durch das Wasser waten, denn der Fischer Chiemo durfte den göttlichen Ort nicht betreten.
Drei auserwählte Männer in langen Gewändern warteten auf einer leichten Anhöhe. Der weise Mann blieb stehen und schaute hinüber. Jetzt konnten sie nichts tun als warten. Ekuos fröstelte. Es dauerte eine ganze Weile, bis von der Seite des Strandes weitere heilige Männer erschienen. Als sie stehenblieben, traten die drei weiteren Männer auf der Anhöhe vor und nur einer der gelehrten Männer vom Strand lief auf die Angekommenen zu. Ekuos sah die drei heiligen Männer am Hügel warten. Sie bildeten mit ihren Körpern die verehrte Mondzahl drei. Ekuos, Palmira, der alte Weise und der hinzugetretene ehrwürdige Mann standen für die Sonnengöttin und sie zählten die Vier. Gemeinsam ergaben sie die göttliche Zahl Sieben, die für die Kraft des Himmels und der Planeten stand.
Der heilige Mann reichte ihm ein handlanges Messer und wies mit einer leichten Kopfbewegung auf Palmira hin. Er sollte es tun? Ekuos war völlig überrascht. Palmira hob die goldene Schale bis vor ihren Hals, damit ihr kostbares Blut aufgefangen und vollständig dem Bedaius geopfert werden konnte. Wie sollte er ihr das Herz herausschneiden? Ekuos sah sie an. Ihre Haut wirkte durchsichtig und sie verschloss die Augen. Ihr kleiner Mund blieb schmal und ihre feine Nase zuckte leicht. Sie wartete auf den tödlichen Schnitt durch die Halsschlagader. Ekuos hob das Messer.
Auch nach der dritten Nacht auf ihrer Wanderung wurde nicht gesprochen. Für Ekuos gab es keinen Gedanken zu den vergangenen Tagen, diese hatte ihm der weise Mann verboten. Außer den nicht enden wollenden Wäldern gab es nichts zu sehen. Die Wege waren mühsam zu begehen und das Licht des Tages schaffte es häufig nicht durch das dichte Geäst der Bäume, sodass Ekuos die Furcht überkam, sie würden direkt in die endlose Dunkelheit der anderen Welt laufen und darin versinken. Wollte er das Licht der Sonne entdecken, musste er sich vollständig umdrehen, denn sie liefen in die Richtung, die von der Sonne gemieden wurde. Andere Menschen trafen sie auf ihren Wegen nicht und die bescheidenen Mahlzeiten hatten dazu geführt, dass Ekuos Dinge wahrnahm, von denen ihm nicht völlig bewusst war, ob es sie tatsächlich gab oder nicht. Die Tage über liefen sie an fließenden Gewässern entlang, die sich nur wenig voneinander unterschieden. Bald sah er die Gipfel fremder Berge, aber keiner erreichte auch nur annähernd die Höhe der Felsspitzen seiner
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