Das Mysterium Des Himmels
auf Amanda zureiten. Es stand mit gesenktem Kopf am Fluss, sodass Ekuos nur ein verschnürtes Paket auf dem Rücken des Pferdes erkennen konnte. Wenn der Anführer der Elenden vom Fluss Amanda Schaden zufügen wollte, dann würde Ekuos dafür sorgen, dass er eine Tortur zu ertragen haben wird. Aber er stieg ab und legte das Bündel Amanda vor die Füße. Es war ein Kind, das kaum noch atmete.
»Hole mir Rosmerta«, sagte Amanda zu Atles und zeigte dabei auf das Pferd.
Der Anführer ließ es geschehen und Atles preschte davon. Während Amanda die Tücher öffnete, die um das Kind geschlungen waren, lief Ekuos auf das Tor zu und war nicht sonderlich überrascht, als dort Quintus Tessius und Amadas erschienen. Man hatte sie vorgeschickt, weil sie laut gerufen hatten, ›wir kennen den, der da kommt, es ist Ekuos der Seher und Hirte.‹ Ekuos wartete ab, bis Amanda an seiner Seite war. Sie hielt das Kind im Arm.
»Sie braucht sauberes Wasser«, rief sie.
Danach passierte nichts mehr, bis Atles und Rosmerta eintrafen. Sie nahm das Kind und führte ihre Finger in seinen Hals. Das Kind erbrach schwarzen Schleim und danach ging es ihm bereits besser.
»Ekuos sagte, alle müssen durch das Flusstal in den Süden, damit sie leben können. Hier werden sie nicht mehr lange warten und euch einfach überrennen. Was sie gesehen haben, war so schrecklich, dass ihnen nichts mehr bedrohlich erscheint. Sie suchen das Land des Lichts und sie wollen es finden. Sie brauchen Wagen, Pferde, Waffen und Essen für ihre Reise. Ekuos sagte, dann wird nichts Übles geschehen.« Amanda sprach es und sie sah auf Quintus Tessius, der einen roten Kopf bekam. Natürlich waren die Menschen in Not, aber er hatte auch viel zu verlieren. Sein Leben war längst römisch geworden und er glaubte nicht, dass die Noriker oder die Kelten, wie sie in Rom genannt wurden, den Weg zum Überleben finden konnten. Sie waren zu sehr ihrer bestehenden Ordnung verhaftet, in ihrem Glauben und den strengen Sitten, während Rom das Leben fließen ließ. In seinem Geschäft wohnten nun einmal keine Götter, die er ständig zu fragen hatte, ob er seine Geschäfte so betreiben durfte, wie er es tat. Hätte er nach den Geboten seiner Sippe gelebt, niemals wäre er zu Besitz und Ansehen gekommen. Aber das sprach er nicht aus. Während sie zusammenstanden, kamen aus den Tälern noch weitere von der Katastrophe Vertriebene vor die Stadt. Es waren Menschen, die nicht direkt getroffen worden waren, denn von denen lebte niemand mehr, gleichwohl fürchteten sie sich vor der Dunkelheit, dem Hunger und der Ungewissheit. Wenn sich noch mehr Menschen am Fluss sammeln würden, musste es unweigerlich zu schweren Unruhen kommen, denn das gute Wasser war knapp und der Hunger forderte bereits seine Opfer. Amadas und Quintus Tessius blickten sich an, als hätten sie soeben genau den gleichen Gedanken gehabt. Sie führten Ekuos und Amanda in den Ort, denn eine Entscheidung zu fällen lag nicht in ihrer Macht. Doch Ekuos wollte nicht verhandeln, er stellte Forderungen. Die weisen Frauen und Männer der Stadt befanden sich in einem Dilemma. Auch in ihren Häusern gab es inzwischen viele Menschen, die nicht mehr warten wollten, bis der Himmel über ihnen zusammenbrach. Sie hatten von der bevorstehenden Wanderung in das Land des Lichts gehört und wollten sich anschließen. Ekuos stieg mit zwei weisen Frauen auf einen der Wachtürme und was sie von dort oben aus sahen, bestätigte seine Forderung. Längs des Flusses lagerte inzwischen eine nicht mehr überschaubare Masse Menschen. Und von Westen her drohten die schwarzen Wolken, die bald mit dem heftigen Wind über die Berge kommen würden.
Erst ein grässliches Schreien aus zwei Kehlen ließ sie herumfahren und auf das andere Ufer des Eon blicken, aber da kam bereits jede Hilfe zu spät. Ein Stoß mit einem Speer hatte den Kopf eines Mannes getroffen. Das Gesicht des Toten war grauenhaft entstellt worden. Aber auch der Angreifer lag wie fortgeweht auf der Seite, denn einer aus der Sippe des zuerst Getöteten hatte ihm den Kopf abgeschlagen. Männer seiner Sippe verharrten einen Moment voller Entsetzen, und diesen Augenblick nutzte eine weiße Frau, um sich zwischen die sich bekämpfenden Sippen zu stellen. Der Kampf war um einen Eimer Wasser entbrannt, den die weiße Frau nun anhob. Sie verteilte das Wasser je zur Hälfte in zwei Gefäße und ließ sie an die beiden Sippen übergeben.
Das war nun allen Verantwortlichen Warnung genug. Wie
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