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Das Nest der Nadelschlange

Das Nest der Nadelschlange

Titel: Das Nest der Nadelschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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ansonsten dem ewigen Verderben anheimgegeben werden.« Wie zur Bestätigung seiner Worte schlug sich der Sprecher mit der Peitsche quer über die Brust.
    »Niemand darf Ugalos verlassen.«
    »Wir kehren zurück«, versprach der Vermummte in beinahe feierlichem Tonfall. Andere fielen murmelnd ein.
    »Ha!« der Hauptmann sprang vor und riss sein Schwert aus der Scheide. »Ihr werdet keine Zeit mehr haben, irgend etwas zu bereuen, sobald einer von euch seine schmutzigen Füße auf die Brücke setzt.«
    »Bei Lorvain, du willst uns daran hindern, das Unheil ' abzuwenden, das Ugalos droht? Auch du, mein Freund, wirst diese Male tragen.« Der Vermummte riss seine Kapuze zurück und zeigte sein verschwollenes Gesicht.
    »Bei Lavoux!« riefen die anderen Geißler und schlugen schneller aufeinander ein. »Bei Aqvitre! Verärgere die Götter nicht, oder sie werden dich für deinen Kleinmut strafen.«
    Der Hauptmann rührte sich nicht vom Fleck. »Keiner von euch wird die Pest nach Ugalien hinaustragen«, grollte er. »Wohin wollt ihr überhaupt gehen?«
    »Zu den Caer«, erklang es einmütig. »Buße tun. Sie haben uns die Krankheit geschickt, nur sie können uns auch wieder davon befreien.«
    Der Hauptmann brach in schallendes Gelächter aus. » Zu den Caer?« stöhnte er dann zwischen zwei tiefen Atemzügen. »Vielleicht sogar zu ihren Priestern?«
    »Ja, Herr, zu ihnen.«
    Der Scherge schien sprachlos. Allerdings weniger, weil er den anderen für besonders mutig hielt, als vielmehr, weil er nicht begreifen konnte, wie jemand sich freiwillig in die Hände des erbarmungslosen Gegners begeben konnte.
    »Fürwahr, die Caer werden sich freuen, euch zu sehen. Und sie werden euch fürstlich empfangen.« Nicht nur der Hauptmann krümmte sich vor Lachen. Allerdings verstummte er sehr schnell, als die Bußgänger sich wieder in Bewegung setzten. Seine Leute hoben die Schwerter zum Schlag.
    »Nein«, sagte er. »Lasst sie passieren. In ihrer Verblendung können sie kein Unheil anrichten. Aber sie werden den Caer die Pest bringen.«
    »Dank, Herr, Friede über dein Haupt. Möge das gelbe Fieber dich und deine Untergebenen verschonen.«
    »Asche auf deines«, höhnte der Hauptmann. »Und nun seht zu, dass ihr weiterkommt. Eure Gegenwart behagt mir nicht.«
    Singend und summend zogen die Geißler über die Brücke. Für einen Moment spielte Armos mit dem Gedanken, sich ihnen anzuschließen. Aber ohne das nötige Büßergewand hätte er es sicherlich nicht geschafft, an den Wachen vorbeizukommen. Denn dass diese keinesfalls gewillt waren, auch andere passieren zu lassen, wurde ihm klar, als er eine unvorsichtige Bewegung machte.
    »Da ist noch einer!« schrie der Hauptmann. »Bringt ihn her!«
    Frerick Armos hielt es nicht länger in seinem Versteck. Er warf sich herum und floh in die Dunkelheit.
    Der Schmied hielt sich flussaufwärts. Aber irgendwann konnte er nicht mehr weiter. Keuchend ging sein Atem, sein Brustkorb drohte zu zerspringen. Erschöpft brach er zusammen, wo er gerade stand. Er fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    *
    Graf Corian hatte viel Zeit, um über die Worte des L'umeyn nachzudenken. Was immer Mormand dazu bewog, seinem Erzmagier und gleichzeitig engstem Berater zu misstrauen, es mussten schon gewichtige Gründe sein. Denn dass der König im Grunde genommen davor zurückschreckte, die Macht Vassanders herauszufordern, war offensichtlich.
    Die Nacht verging nur langsam. Von seinen Gemächern aus konnte Corian die Fenster sehen, die zu Vassanders persönlichem Bereich gehörten. Hinter den dicken Scheiben brannte die ganze Nacht hindurch Licht. Mehrmals schreckte Corian auf, weil er glaubte, die Fackeln seien gelöscht worden.
    Aber dem war nicht so. Huschende schwarze Schatten verrieten ihm, dass der Erzmagier unermüdlich am Werk war. Traf er seine Vorbereitungen für die unausweichlich kommende Schlacht gegen die Caer und ihre dämonischen Priester? Aber weshalb musste er dazu die Nacht zum Tag machen?
    Wieder einmal war Corian über seinen grüblerischen Gedanken eingenickt, aber ein ungutes, drängendes Gefühl weckte ihn. Und wirklich - nur kurze Zeit später erlosch das Licht, das er die ganze Nacht über beobachtet hatte. Draußen herrschte noch immer Dunkelheit, nur von wenigen Sternen durchbrochen. Ugalos schien unter den wallenden Nebeln zu ersticken. Der Graf vermisste die Rufe vieler Nachttiere. Er wusste, dass Eulen und Käuze in den Zinnen der Palasttürme nisteten. Die Stille wirkte

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