Das Nest des Teufels (German Edition)
der Kreuzung bremste Jaan nicht ab, sondern fuhr geradeaus weiter.
«Wir kommen von der anderen Seite, über den kleinen Hügel da vorn. Der Weg hört bald auf.» Jaan wich aus, als uns ein Wagen entgegenkam, auf dessen Dach ein zwei Meter langes Schwimmkrokodil befestigt war.
Als der Weg endete, zog Jaan seine Kutte aus und ließ sie im Auto zurück. Obwohl mir heiß war, behielt ich die Jacke an, denn die Waffe ließ sich am leichtesten in der Brusttasche transportieren. «Was haben wir eigentlich vor? David wollte Gezolian doch für einen Mordversuch drankriegen. Braucht man da nicht die Polizei als Zeugen?»
«Zuerst will er Gezolian dazu bringen, zu sagen, dass er die Ermordung von Carlo und Rosa Dolfini in Auftrag gegeben hat und dass David unschuldig ist. Sonst kann er seine Flucht nie beenden.»
«Haben die Aufnahmen denn Beweiskraft?»
«Vor Gericht nicht, aber für unsere Chefs bei Europol sind sie wichtig. Ideal wäre es, wenn wir die finnische Polizei überhaupt nicht in die Sache hineinzuziehen brauchten. Ich geh voran, du schützt mich. Keine tödlichen Schüsse, schieß so, dass du die Kerle nur kampfunfähig machst.» Jaans Blick war entschlossen. Plötzlich strich seine Hand flüchtig über meine Wange.
«Ich liebe David auch, wie einen Bruder. Gehen wir!» Er schaltete den Ton des Empfängers leiser, damit er uns nicht vorzeitig verriet. Wir schlichen so geräuschlos durch den Wald, wie wir nur konnten.
Der Audi stand auf dem Pfad, der Lieferwagen war auf der Lichtung geparkt, in deren Mitte Paskewitsch stand, die Hände in die Hüften gestemmt. Er trug nur ein kurzärmliges Hemd und eine Baumwollhose und war, soweit ich erkennen konnte, unbewaffnet. Der Lieferwagen bebte, dann ging die rückwärtige Tür auf, und David wurde hinausgestoßen. Ich konnte nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken, als ich sein blutiges Gesicht sah. Seine Nase war offenbar gebrochen, und sein linkes Auge schwoll zu.
«Auf die Knie!», brüllte Gezolian. David, der auf die Erde gesackt war, rappelte sich mühsam auf. Gezolian presste ihm den Lauf seiner Nagant an die Schläfe.
«Am Steinturm.» Davids Worte waren nur ein dumpfes Lallen. «Sie sind bei dem Steinturm oben auf dem Råberget versteckt. Ich kann ihn dir zeigen, er ist ganz in der Nähe, ein paar Kilometer von hier.»
«Ich kenne den Turm, er steht am höchsten Punkt des Gebiets. Lescha, bring ihn zurück in den Wagen und schließ ab! Du bleibst hier und hältst Wache», wandte sich Gezolian an Paskewitsch. «Und Stahl, wenn du wieder mal gelogen hast, bringe ich nicht nur dich um, sondern auch deinen Sohn. Ich werde ihn finden, verlass dich drauf!»
Lescha schleifte David zurück in den Lieferwagen und schloss die Tür ab, Paskewitsch setzte sich in einiger Entfernung auf einen Felsen und fing den Schlüssel auf, den Lescha ihm zuwarf. Lescha ließ den Audi an und fuhr mit Gezolian in Richtung Leititie davon. Von unserem Posten aus sahen wir den Wagen zum Sandstrand kurven.
«Lässt du zu, dass sie es finden?», fragte ich Jaan. Im selben Moment tönte aus dem Empfänger ein gebrochener Fluch auf Finnisch: «Scheiße, Scheiße, Scheiße.»
«Alles unter Kontrolle», sagte Jaan grinsend. «Jetzt gehen sie das Isotop holen, genau, wie wir es geplant haben. Es läuft großartig.»
Ich fand es unmöglich, einfach dazuhocken und zu warten, denn Jaan und ich hätten den unbewaffneten Paskewitsch mühelos überwältigen können. Doch als ich Jaan diesen Vorschlag machte, schüttelte er den Kopf.
«Nein, der Plan läuft anders. Nur Geduld, Hilja. Wir haben ausgerechnet, dass der Abstecher zum Steinturm höchstens eine Dreiviertelstunde dauert.»
«Sie sollen es also finden?»
«Wir haben das Versteck im Morgengrauen ein bisschen offensichtlicher gemacht. Hoffentlich sind da oben keine Vogelkundler. Aber so verzweifelt, wie Gezolian ist, wird er schon einen Weg finden, sie zu vertreiben. Magst du einen halben Energieriegel?» Jaan holte eine in violettes Papier gewickelte Stange aus der Tasche.
«Danke.» Ich nahm das Stück, das er für mich abbrach. «Aber was ist mit David? Er sah ziemlich ramponiert aus.»
«Er hat sich jahrelang darauf vorbereitet. So nahe am Ziel hält er durch.»
Dennoch war ich besorgt, denn aus dem Empfänger kamen nicht einmal mehr Atemgeräusche. Hatte David das Bewusstsein verloren? Ich wunderte mich über Jaans Gelassenheit. Bildete er sich ein, alles würde sich fügen, weil Gott auf seiner Seite stand?
Nach einer
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