Das Nest des Teufels (German Edition)
Stelle an der linken Schulter, wo ihn die Peitsche getroffen hatte. Meine Wut war nach dem Schlag verraucht, der Schlafmangel der vorigen Nacht machte sich in Kopf und Gliedern bemerkbar. Die letzten Tage waren von übergroßen Gefühlen erfüllt gewesen. Mike Virtue hatte uns immer wieder eingeschärft, wie wichtig es war, dass ein Leibwächter in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahrte. Man müsse Angst, Trauer und Wut zwar herauslassen, aber erst dann, wenn die Aufgabe erledigt sei. Ich hatte mich bemüht, seine Anweisungen zu befolgen, doch es gelang mir nur teilweise, meine Gefühle zu kontrollieren. Zum Glück war ich fähig, auch dann überlegt zu handeln, wenn meine Emotionen Karussell fuhren.
«Ich beschütze dich vor Gezolian. Du bist jetzt meine Freundin und arbeitest für dieselben Menschen wie ich», unternahm Juri noch einen Versuch. Ich schüttelte nur den Kopf und ging in mein Zimmer. Es gab nur einen einzigen Menschen, dem ich in diesem Schlamassel vertrauen konnte. Ich musste mich mit Teppo Laitio treffen. Von meinem geheimen Handy mit dem Prepaid-Chip schickte ich ihm eine SMS . Die Antwort kam um drei Uhr nachts, das hellblinkende Display weckte mich.
«Ich war eine Weile aus dem Spiel, man hat mir Flüssigkeit aus der Lunge abgesaugt, und im Lazarett hatte ich kein Handy. Jetzt wieder zu Hause. LDG »
Am nächsten Morgen stand ich um sieben Uhr auf, um den Boten vom Flughafen zu erwarten, der Julias Koffer bringen sollte. Da es in der Nachricht nur geheißen hatte, der Koffer werde zwischen acht und zwölf Uhr geliefert, musste ich auf das Jogging verzichten. Trankow und Syrjänen saßen beim Frühstück, sie würden bald zu einer Besprechung mit hohen Tieren aufbrechen, wie Syrjänen mir augenzwinkernd erklärte. Trankow wünschte mir nicht einmal einen guten Morgen. Mir war es ganz recht, dass er schmollte.
«Wir bleiben ein paar Tage in Långvik. Leiste Julia Gesellschaft», bat Syrjänen, als sie sich auf den Weg machten. Julia habe keine Lust, aufs Land zu fahren, aber er selbst wolle zum Eislochangeln hin. Im Grunde seines Herzens war Syrjänen wohl immer noch ein Bauernjunge und staunte gelegentlich selbst über seinen Erfolg.
Als der Koffer gegen zehn Uhr kam, schlief Julia noch. Nachdem sie aufgestanden war, musste ich den Inhalt des Koffers unter ihren Augen zweimal überprüfen, was mir schwer gegen den Strich ging. Im Sans Nom hatte ich immerhin ehrliche Arbeit geleistet, während ich jetzt einer verwöhnten Frau diente, die nie erwachsen wurde. Während Julia ihre neue Handtasche bewunderte und ausprobierte, zu welchen Kleidern sie passte, ging ich in mein Zimmer, um zu telefonieren. Es dauerte lange, bis Laitio sich meldete. Er röchelte und musste immer wieder husten.
«Etwas zu bereden, aha.» Laitio nannte meinen Namen nicht. «Ich kaufe nichts. Auf Wiederhören. Kapiert? Auf Wiederhören.» Die Verbindung wurde unterbrochen, doch kurz darauf bekam ich eine SMS . Von einem unbekannten Teilnehmer. «Ich rufe bald an. LDG »
Schon eine Minute später klingelte mein Handy.
«Ich bin’s wieder. Ich musste das Handy wechseln, weil das alte bestimmt abgehört wird. Von diesem Prepaid wissen sie nichts. Ich bin jetzt wieder zu Hause in der Urheilukatu. Meine Alte arbeitet tagsüber, da kannst du kommen. Sie hätte gern Urlaub genommen, um mich zu pflegen, aber das habe ich ihr ausgeredet. Ich will nicht, dass die ganze Zeit jemand um mich herumscharwenzelt. Du bringst mir doch Zigarren mit? Ich muss mir nur ein Versteck ausdenken, wo meine Alte und meine Schwägerin sie nicht finden. Die Schublade mit den Socken war eine Schnapsidee.» Laitio versuchte zu lachen, es klang wie das Jaulen eines von Startschwierigkeiten geplagten Außenbordmotors.
«Ich muss noch klären, wann ich kommen kann.» Am nächsten Morgen hatte Julia einen Termin beim Friseur, vielleicht klappte es dann. Ihre langen blonden Haare sollten eine Stützwelle bekommen und aufgehellt werden. Das würde etwa drei Stunden dauern.
«Was ist mit den Ermittlungen im Fall Rytkönen?»
«Stillstand. Sie wollen einem ehrlichen Mann einfach nicht glauben. Ich hab den Scheißkerl umgebracht, weil wir uns gestritten haben, aber sie faseln immer noch von Voruntersuchungen und Charakteranalyse und ähnlichem Schnickschnack.»
In der obersten Polizeiführung hatte Laitio immer noch Fürsprecher, aber ein Polizistenmord war eine schwerwiegende Sache, die natürlich absolute Priorität hatte, zumal auch der
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