Das Nest des Teufels (German Edition)
Sexleben sie etwas an. Was hätte ich geantwortet, wenn sie mich nach meinem Urteil über David Stahls Potenz gefragt hätte? Was bedeutete «gut im Bett» überhaupt? Ich wusste nur, mit wem ich am liebsten schlief. Und derjenige war in Genf zurückgeblieben.
In der Maschine nach Finnland schaffte ich es beinahe, einzuschlafen. Julia trank Champagner und flirtete mit dem einzigen anderen Passagier in der Business Class, einem Eishockeyspieler der NHL , der erzählte, er sei auf dem Weg nach Turku zur Beerdigung seiner Großmutter. Überraschenderweise entwickelte Julia Mitleid, außerdem kannte sie zwei Russen, die in derselben Mannschaft spielten wie der Charmeur. Ich hörte mit halbem Ohr zu und nickte immer wieder ein. Zum Schluss gab der Sportler Julia seine Telefonnummer für den Fall, dass sie einmal nach Edmonton kam, und eilte zur Maschine nach Turku.
Wir mussten lange auf unser Gepäck warten, und als es endlich kam, fehlte einer von Julias Koffern. Darin lag unter anderem die Handtasche, die Julia für mehrere tausend Euro in Genf gekauft hatte. Zum Glück war mein Koffer angekommen. Er enthielt meine Glock, den Sicherheitsvorschriften entsprechend zerlegt, und Munition.
«Wo kann ich mich beschweren? So etwas darf doch nicht vorkommen!», schrie Julia.
Ich ging zum Arrival Service, um die Sache zu klären. Zu meinem Pech saß dort eine Angestellte, mit der ich mich vor Zeiten, als ich am Flughafen gearbeitet hatte, einmal in der Kantine gestritten hatte. Sie füllte die Formulare absichtlich langsam aus und fragte mehrmals, wer die Besitzerin des Koffers sei und warum sie den Verlust nicht selbst melde.
«Sie kann kein Finnisch.»
«Ich spreche auch Englisch.»
Ich holte Julia. Die beiden Weiber hatten einander verdient.
Syrjänen rief Julia an, als sie gerade den Suchzettel ausfüllte. Natürlich nahm sie das Gespräch an. Die Angestellte warf ihr funkelnde Blicke zu, als sei sie kurz davor, sie an den Haaren zu reißen. Allmählich wurde mir klar, weshalb die künftige Frau Syrjänen eine Leibwächterin brauchte.
Als wir endlich mit unserem Gepäck durch den Zollbereich in die Halle kamen, schenkte Julia dem wartenden Syrjänen nur einen flüchtigen Kuss und reagierte nicht auf seine Frage, wie die Reise verlaufen sei. Syrjänens protziger Jeep hatte zu lange in der Kurzzeitzone gestanden, unter dem Scheibenwischer klemmte eine gebührenpflichtige Verwarnung. Julia warf den Wisch in den Schnee und trat mit dem Absatz darauf herum.
«Nicht, Liebling! Vierzig Euro sind ein Klacks, und ich will nicht in der Skandalpresse lesen, dass ich meine Knöllchen nicht bezahle.» Beflissen sammelte ich die Reste des Strafzettels auf. Syrjänen bat mich, zu fahren, damit er bei Julia im Fond sitzen konnte.
Hinter dem Lenkrad des großen Jeeps sah die Welt anders aus als am Steuer des Punto, den ich in Italien gemietet hatte, oder des Lieferwagens, den ich für das Restaurant Sans Nom gefahren hatte. Das große Fahrzeug wirkte respekteinflößend. Deshalb sah eine Mutter mit zwei Kindern mich ungläubig an, als ich vor dem Zebrastreifen hielt. Irgendein unaufmerksamer Idiot oder ein Tiere hetzender Brutalo hatte Frida angefahren und halb tot auf der Straße liegen gelassen. Zu diesem Menschenschlag wollte ich nicht gehören.
Ich fuhr zum Bulevardi. Zu Syrjänens Wohnung gehörten zwei Stellplätze in der Garage unter dem Haus. Ich ließ die beiden Verlobten aussteigen und Syrjänen den Koffer seines Schätzchens tragen und fuhr die schmale Rampe hinunter. Als ich ausstieg, sah ich, dass ich eine SMS erhalten hatte. Von David? Aber nein, es war nur Monika, die fragte, wann ich Zeit hätte, im Sans Nom zu essen. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich «nur Monika» gedacht hatte, obwohl es sich um meine beste Freundin handelte.
Als ich die Wohnungstür aufschloss, wäre ich beinahe gegen Hanna geprallt, die ein Bündel Kleider in den Armen hielt. Syrjänens Haushälterin stand Julia und mir kühl gegenüber, während sie Juri Trankow vergötterte. Sie war kaum über vierzig, kleidete sich aber wie die Bäuerinnen in den finnischen Heimatfilmen der Vorkriegszeit, mit gestärkter weißer Schürze und einem strengen Dutt. Sie sah aus wie eine Theaterfigur und benahm sich auch so; mitunter beschlich mich das Gefühl, dass sie uns insgeheim auslachte.
«Grüße aus den Alpen. Ist Juri zu Hause?»
«Er ist zum Malen nach Långvik gefahren, hat aber versprochen, zum Abendessen zurückzukommen. Falls es ein
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