Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
keine Ahnung, ob sie Russisch verstand. Da sie mit Juri und Julia Englisch, mit Juri manchmal auch Finnisch sprach, hatte ich bisher angenommen, dass sie keine Russischkenntnisse besaß. Doch plötzlich war ich mir nicht mehr sicher. Wer seine Sprachkenntnisse verheimlichte, bekam manches zu hören, was nicht für seine Ohren bestimmt war. David verstand viel mehr Finnisch, als er mir gegenüber zugegeben hatte, und den Europol-Quellen zufolge sprach er es auch einigermaßen.
    «Das war Tanja. Die Schwester von Alexej, meinem verstorbenen Mann. Um die brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, sie hat kein Geld für eine Reise nach Finnland. Bestimmt hat sie sich ein Handy geliehen und auf fremde Kosten telefoniert.» Julia zuckte hochmütig mit den Schultern. «Vater hat mir versprochen, Tanja eine Warnung zu erteilen, wenn sie mich weiter anruft und beschimpft.»
    «Eine Warnung? Wie denn?»
    «Du kennst doch den Verkehr in Moskau. Der ist lebensgefährlich. Aber wenn man beinahe mehrmals vom selben Wagen überfahren wird, begreift auch der Dümmste, dass es kein Zufall ist. Tanja und ihre Familie haben kein Anrecht auf Alexejs Geld. Das hat er selbst verdient, ohne die Unterstützung seiner Familie. Er war zur rechten Zeit am rechten Ort. Ich habe ihm geholfen. Warum soll er Leuten etwas vererben, die selbst nichts zustande bringen? Ich wundere mich nur, woher Tanja meine Telefonnummer hat, die ist doch geheim. Muss ich sie schon wieder wechseln?» Ohne eine Antwort abzuwarten, stand Julia auf und ging in ihr Zimmer.
    Hanna deckte den Tisch ab. Ich wollte ihr helfen und griff nach der Suppenschüssel, doch sie fuhr mich an:
    «Lass das! Das gehört nicht zu deinen Aufgaben. Meine Küche bringt mir niemand durcheinander!»
    Ich hielt es für klüger, mich zu entfernen, bevor sie mir den Wischlappen ins Gesicht knallte. In meinem Zimmer holte ich Reiskas Klamotten aus ihrem Versteck. Ich hatte sie zuletzt getragen, als Trankow in Kopparnäs Kommissar Rytkönen erschoss. Danach hatte ich sie gründlich gewaschen, um Laitios Blut zu entfernen.
    Der Schnurrbart brauchte frischen Leim, beim letzten Mal hatte ich ihn zu hastig abgerissen. Reiska besaß mehrere T-Shirts. Ich entschied mich gegen das Shirt mit dem Aufdruck «Danke 1939 – 1945 ». Obwohl es unter dem karierten Oberhemd kaum zu sehen sein würde, könnte der Text Frau Voutilainen irritieren, die beim Ausbruch des Winterkriegs elf Jahre alt gewesen war. Ihrer Meinung nach waren Kriege in keiner Weise bewundernswert, und sie verstand nicht, weshalb man nach siebzig Jahren immer noch Heldenverehrung betreiben musste. Auf dem T-Shirt, das ich schließlich auswählte, stand «Born in the Savo». Reiska hatte eine humoristische Ader.
    Kurz vor dem Einschlafen bekam ich eine SMS . Wer schrieb mir um diese Zeit, etwa David? Aber es war nur Juri, der behauptete, sich in Långvik nach mir zu sehnen. Auf diese Mitteilung hätte ich verzichten können.
     
    Am nächsten Morgen brachte ich Julia zum Friseur. Ihr stand Syrjänens kleinster Wagen zur Verfügung, ein schwarzer Audi Sportback mit dem Kennzeichen USK - 05 . Der Friseursalon lag nur einige Straßen weiter und war bequem mit der Straßenbahnlinie  6 zu erreichen, doch Julia weigerte sich, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
    «Ich will nicht im Urin der finnischen Säufer waten», war ihre Begründung.
    Ich vergewisserte mich, dass ich nicht im Salon zu warten brauchte. Der Friseur schätzte, dass die Prozedur etwa vier Stunden dauern würde. Ich kaufte die Zigarren, die ich Laitio versprochen hatte, und stieg in den Bus nach Käpylä. An der Kreuzung der Mäkelänkatu und der Koskelantie stieg ich aus. In dieser Umgebung fühlte ich mich heimisch, obwohl ich nur drei Jahre in der Untamontie gewohnt hatte und damals häufig abwesend gewesen war. Im Treppenhaus roch es nach frischem Hefegebäck. Die alte Frau Voutilainen war eine leidenschaftliche Bäckerin. Ihr zuliebe trank ich eine Tasse Kaffee und aß zwei Zimtschnecken, bevor ich mich in Reiska verwandelte. Ich behauptete, Verkleidungsübungen gehörten zu meinem Beruf, doch ich sah der alten Dame am Gesicht an, dass sie mir kein Wort glaubte.
    Es war mir immer unangenehm gewesen, mich vor Zeugen als Reiska zu verkleiden. Deshalb zog ich mich in das enge Bad zurück. Als Erstes band ich meine Brüste eng an den Körper und stopfte meine Hose aus. Reiska trug bisweilen eine Perücke, aber manchmal waren ihm meine Haare gut genug. Im Moment waren sie so

Weitere Kostenlose Bücher