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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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beseitigen. Wollte Gezolian David in Sicherheit wiegen, damit der Sieg am Ende umso süßer schmeckte? Alles war möglich.
    Vom Bulevardi zum Hotel Torni war es nicht weit. Als ich ankam, waren meine Gedanken noch verworrener als zuvor. Ich rief in Rands Zimmer an, er sagte, er werde mich im Foyer abholen.
    Ich war dem Mann nur einmal begegnet, und da hatte er eine weiße Mönchskutte und eine runde Brille getragen. In Zivilkleidung hätte ich ihn beinahe nicht erkannt. Seine blonden Haare waren in dem einen Jahr so lang geworden, dass er sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, aber die Locken ließen sich nicht restlos bändigen. Seine neue Brille hatte ein eckiges, schwarzes Gestell, und die Jeans und das karierte Hemd waren ihm ein paar Nummern zu groß. Vielleicht war das die Kleidung, die er abgelegt hatte, als er in Sant’Antimo zu Bruder Gianni geworden war, und die er nun wieder hervorgeholt hatte, nachdem er im Kloster kräftig abgenommen hatte.
    Rand nickte mir nur zu, die Hand gab er mir nicht. Ich folgte ihm die Treppe hinauf in den ersten Stock, dann durch den Flur in den modernen Anbau des Hotels. Obwohl die Betten im Torni breit genug für vier Personen waren, fand ich es widerlich, dass Deividas sein Lager mit einem wegen Pädophilie verurteilten Expolizisten teilte.
    Der Junge lag jedoch nicht im Bett, sondern saß lesend auf dem Sofa. Man brauchte wahrhaftig nicht viel Phantasie, um die Ähnlichkeit mit David zu erkennen. Sein Gesicht war noch kindlich rund und die Haut glatt, aber im Knochenbau kündigte sich bereits Davids Massigkeit an. Die kurzen Haare waren dunkel, die braunen Augen hatte Deividas wohl von Gintare geerbt.
    «Tere»
, begrüßte er mich auf Estnisch.
    «Tere.»
Sehr viel weiter reichten meine Estnischkenntnisse nicht. Der Junge hatte seit seiner Geburt in Litauen gelebt, ich konnte kein Wort Litauisch. Ich ging zu Deividas und gab ihm die Hand wie einem Erwachsenen.
    «Ich bin Hilja», sagte ich auf Finnisch und dann noch einmal auf Russisch. Er sah mich nur an, ließ meine Hand aber nicht los. Sein linkes Bein war verkrümmt, früher hätte man von einem Klumpfuß gesprochen. Seine Augen wirkten zu alt für einen Zehnjährigen. Das Leben im Waisenhaus in Kaunas war sicher kein Zuckerschlecken gewesen, und jetzt wurde der Junge von einem Land ins andere und zu immer neuen Bezugspersonen gebracht. David hatte ihn aus Litauen herausholen können, weil das Land zur EU gehörte. Da seine Vaterschaft nicht offiziell anerkannt war, hätte er andernfalls wohl keine Chance gehabt.
    «Er spricht erst ein wenig Estnisch. Ich habe in Sant’Antimo versucht, es ihm beizubringen, weil David es so möchte. Sonst hätten Vater und Sohn keine gemeinsame Sprache. David spricht zwar Italienisch, Spanisch, Russisch und Schwedisch, aber nicht Litauisch», erklärte Jaan Rand auf Englisch. «Bitte, nimm doch Platz. Kann ich dir etwas aus der Minibar anbieten?»
    Ich setzte mich in den Sessel. Deividas widmete sich wieder seiner Lektüre, er hielt den ersten Harry-Potter-Band auf Estnisch in der Hand. Vielleicht hatte er ihn früher schon auf Litauisch gelesen und versuchte nun, die Sprache seines Vaters zu ergründen, oder vielmehr eine von Davids beiden Muttersprachen.
    «Ein Bier vielleicht.» Ein kleines Helles würde meine Handlungsfähigkeit nicht beeinträchtigen.
    Rand holte zwei Flaschen aus der Minibar. «Es sind leider keine sauberen Gläser da. Stört es dich, aus der Flasche zu trinken?»
    Ich lachte über seinen Snobismus. Bei einer Bierflasche brauchte ich nicht mal einen Flaschenöffner, Onkel Jari hatte mir beigebracht, den Kronkorken mit den Zähnen zu entfernen. Rand hatte die Flaschen allerdings schon geöffnet.
    «Warum wolltest du mich treffen?»
    «David möchte, dass du Deividas siehst – und er dich.»
    «Wo ist David jetzt?»
    «Immer noch in der Schweiz, er wartet darauf, dass Chagall aus Amerika zurückkommt.»
    «Aber ist das nicht lebensgefährlich? Chagall ist Gezolians Verbündeter, und die beiden haben schon diesen Italiener, Dolfini, umbringen lassen, um David zu erwischen.»
    Rand trank einen Schluck aus seiner Bierflasche. Der oberste Knopf an seinem Hemd war geöffnet, ein kleines goldenes Kreuz lugte hervor. «In dieser Welt wechseln die Verbündeten schnell. Und du selbst bist schließlich die Leibwächterin von Gezolians Tochter. Trotzdem vertraut David dir. Er behauptet, zwischen euch gäbe es ein Band, das niemand zerstören kann. Ich hatte keine

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