Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
Schlimmste zu glauben, wenn man euch entsprechende Behauptungen zuspielt. Denk daran, Hilja, dass es Gnade gibt.»
    «Verschon mich mit dem Schwachsinn!» Deividas zuckte so heftig zusammen, dass er Jaan Rand, der sich über ihn gebeugt hatte, gegen das Kinn trat. «Gnade, Gnade, davon winselt ihr Scheißkerle alle miteinander. Bring Deividas heil nach Tartu, dann können wir uns über Gnade unterhalten!»
    Es kostete mich große Mühe, meine Wut so weit zu zügeln, dass ich Deividas zum Abschied anlächeln konnte. Ich verließ das Hotel durch die American Bar und rannte die Kalevankatu hinunter, obwohl meine Stiefel nicht zum Laufen gemacht waren. Irgendein verfluchter Seelenklempner hatte sich in den Kopf gesetzt, dass mein Vater Gnade verdiente und freigelassen werden sollte. Ach, wie dumm die Menschen doch waren! Mit dem Gerede von Gnade hatte man Gutgläubige dazu gebracht, Sklavenarbeit zu leisten oder sich als Kanonenfutter herzugeben. Die Belohnung wartete im Himmel. Aber Jaan Rand musste doch wohl damit rechnen, für seine Sünden in der Hölle zu landen. Dort konnte er dann mit meinem Vater über ihre bösen Taten plaudern.
     
    Ich schlief unruhig. Im Traum war ich ein kleines Mädchen, das Rand belästigte und ärztlich untersuchen wollte. Dann verwandelte er sich in Seppo Holopainen, der mich in meiner Jugend beinahe vergewaltigt hätte. Um halb sechs wachte ich voller Wut auf. Um acht Uhr rief ich in der Praxis von Satu Syrjänen an und ergatterte einen Termin am Nachmittag desselben Tages, indem ich über starke, schmerzhafte Monatsblutungen klagte und den Verdacht äußerte, ich hätte einen Tumor. Ich gab den Namen und die Personenkennziffer meiner ehemaligen Mitbewohnerin Jenni an und bat sie in Gedanken um Verzeihung. Es war eine Notlage.
    Um drei Uhr sollte ich mich also in der Gemeinschaftspraxis im Zentrum von Helsinki einfinden. Durch ihr öffentliches Gezeter hatte Satu Syrjänen sicher keine neuen Patientinnen gewonnen. Ich erzählte Julia vom Anruf ihres Vaters und von seinem Auftrag.
    «Vater macht sich grundlos Sorgen», sagte Julia, doch ihr Lächeln wirkte erfreut. «Es ärgert ihn, dass er nicht pausenlos für mich eintreten kann. Vielleicht treffen wir uns in New York, er versucht es so einzurichten, dass er mit uns zurückfliegen kann.»
    Bei dieser Nachricht lief es mir kalt den Rücken hinunter. Sollte ich in New York untertauchen? Dort hielten sich viele illegal Eingewanderte ohne Papiere versteckt, und mit Hilfe meiner alten Bekannten würde es mir vielleicht gelingen, ein ganz neues Leben zu beginnen. Aber ich konnte doch Vanamo nicht im Stich lassen, nachdem ich sie endlich kennengelernt hatte. Wohin ich mich auch wandte, überall stieß ich gegen eine Wand. Es blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten, wer letztlich der Jäger und wer die Beute sein würde.
    Im Wartezimmer der Gemeinschaftspraxis lief das Radio. Ich musste ein Formular ausfüllen und kreuzte an, dass meine Patientendaten nicht weitergegeben werden durften. Jenni selbst ging aus Prinzip nie zu einem Privatarzt. Ihrer Meinung nach musste die Gesellschaft allen Bürgern preiswerte medizinische Versorgung garantieren. Deshalb hatte ich mich darauf verlassen, dass sich ihr Name nicht im Archiv der Praxis finden würde.
    Ich hatte eine schwarze Mütze und eine Sonnenbrille aufgesetzt. Zusammen mit der schwarzen Lederjacke, die ich selten trug, würde dies vielleicht verhindern, dass Satu Syrjänen mich auf den ersten Blick erkannte und gar nicht erst in ihr Sprechzimmer einließ. Während ich wartete, rekapitulierte ich die Folgen einer strafbaren Bedrohung. Höchststrafe zwei Jahre Gefängnis. Aber Satu Syrjänen konnte es sich nicht leisten, auch nur einen Stein nach mir zu werfen. Plötzlich wurde mir klar, dass ich Englisch sprechen musste, denn ich wollte mit dem Handy eine Videoaufnahme von der Szene machen und sie Gezolian schicken. Allerdings musste ich darauf achten, dass auf dem Handy nur Satu Syrjänen zu sehen war. Ich selbst würde die Aufzeichnung nach dem Abschicken sofort löschen, doch Gezolian hatte damit natürlich eine neue Waffe gegen mich in der Hand. Aber ich vermochte mir beim besten Willen nicht vorzustellen, dass er mich bei der finnischen Polizei verpfeifen würde.
    Man konnte die Sprechzimmer von innen verriegeln. Waren sie mit Überwachungskameras ausgestattet? Im Wartezimmer gab es jedenfalls eine, aber wahrscheinlich war es zum Schutz der Intimsphäre verboten, den

Weitere Kostenlose Bücher