Das Nest des Teufels (German Edition)
gynäkologischen Stuhl zu filmen.
Ich wartete fünfzehn Minuten. Die Empfangsdame kam zu mir und erklärte bedauernd, sie seien mit den Terminen ein wenig in Verzug. Im Wartezimmer lagen die Abendzeitungen nicht aus, es gab nur alte, abgegriffene Illustrierte, aber natürlich wussten die Angestellten der Gemeinschaftspraxis, dass die Ärztin einen Skandal verursacht hatte. Vielleicht hatte die Frau am Empfang mich erkannt und Satu Syrjänen gewarnt.
Nach zwanzig Minuten war es aber so weit: Satu Syrjänen öffnete die Tür, rief Jenni auf und zog sich sofort wieder in ihr Sprechzimmer zurück. Ich folgte ihr. Vorn im Raum stand ein Ärzteschreibtisch mit Computer, Frau Syrjänen setzte sich daran und überflog meine Patientendaten.
«Guten Tag, Jenni, du hast also starke Menstruationsschmerzen? Bitte, nimm doch Platz.»
Ich verriegelte die Tür, marschierte an Frau Syrjänen vorbei zum Untersuchungsstuhl, nahm das Handy aus der Tasche und schaltete die Videoaufnahme ein.
«Ich bringe Grüße von Julia Gerbolts Vater», begann ich, und der Übergang zum Englischen ließ die Ärztin zusammenfahren. Sie erhob sich halb von ihrem Stuhl, und auf ihrem leidvollen Gesicht bildeten sich rote Flecken.
«Ich überbringe nur eine Nachricht, ich will dir nichts Böses.»
«Du bist die Leibwächterin von diesem Flittchen!» Einen Moment lang hatte es den Anschein, als wolle sich Satu auf mich stürzen.
«Ich bin Personenschützerin, und im Moment tue ich mein Bestes, um dich zu schützen, Satu Syrjänen. Julias Vater sieht es nicht gern, dass man sich gegen seine Tochter stellt. Er ist in seinem Heimatland ein sehr einflussreicher Mann und zudem durch diplomatische Immunität geschützt. An deiner Stelle würde ich die Niederlage akzeptieren und Julia in Ruhe lassen. Andernfalls könnte ihr Vater dir Schwierigkeiten machen, und zwar nicht auf juristischem Weg.»
Es war schwierig, die Warnung so zu formulieren, dass sie Satu einschüchterte, aber nicht für eine Anklage ausreichte. Das Delikt des Identitätsdiebstahls hatte ich ja bereits begangen.
«Eine Szene wie gestern darf es nicht noch einmal geben. Und wenn du der Schmutzpresse von unserem Gespräch erzählst, wird Julias Vater Maßnahmen ergreifen. Er hat Freunde an höchster Stelle», log ich so unverfroren, wie ich konnte.
«Was versuchst du mir zu sagen?»
«Lass Julia in Ruhe, wenn du nicht willst, dass die Leibwächter ihres Vaters dich in der Praxis oder zu Hause besuchen. Die sind nämlich nicht annähernd so nett wie ich.»
Satu Syrjänen zitterte, ihre Hände tasteten über den Tisch. Natürlich gab es irgendwo einen Alarmknopf, mit dem sie einen Wärter rufen konnte.
«Ich gehe jetzt. Wenn du dich anständig benimmst, komme ich nie mehr wieder. Also sage ich nicht auf Wiedersehen, sondern Lebwohl!» Damit öffnete ich die Tür und verließ den Raum. Dann begriff ich, dass ich für den Termin bezahlen musste und das Ärztezentrum nicht verlassen konnte, ohne an der Kasse vorbeizugehen. Um jedoch bezahlen zu können, brauchte ich eine Rechnung mit dem Stempel der Ärztin. Da ich keinen Aufruhr wollte, ging ich durch den von Sprechzimmern gesäumten Gang zu den Toiletten. Gab es dort ein Fenster, durch das ich verschwinden konnte? Soweit ich wusste, war Jenni immer noch zum Studium in England, in Cambridge, sie würde also beweisen können, dass nicht sie im Ärztezentrum die Zeche geprellt hatte. Und Satu Syrjänen wusste natürlich, wer den Termin bei ihr wahrgenommen hatte.
Die Tür zum Zimmer der Ernährungstherapeutin stand auf. Ich spähte hinein. Hier gab es tatsächlich ein Fenster, doch es war nur ein schmaler Lüftungsspalt, durch den sich nicht einmal Vanamo hätte zwängen können. Aber hinten im Raum entdeckte ich eine zweite Tür, einen Notausgang. Er war zwar doppelt verriegelt, doch beide Riegel ließen sich von innen öffnen. Ohne zu wissen, wohin diese Tür führte, benutzte ich sie.
Ich fand mich auf dem Gang des benachbarten Geschäftszentrums wieder. Meine Hoffnung hatte sich also erfüllt. Ich spurtete durch den Gang zu einer Glastür, die sich per Knopfdruck öffnen ließ. Zwei Treppen hinunter, dann stand ich auf der Straße.
Erst in der Wohnung am Bulevardi sah ich nach, ob die Videoaufzeichnung brauchbar war. Sie war es. Julia saß vor dem Fernseher, in eine russischsprachige Sendung vertieft, bei der es sich, nach dem Tonfall und den Gesten der Schauspieler zu urteilen, um eine Seifenoper handelte. Sie wirkte verärgert,
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