Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
In meinem Arbeitsvertrag stand, dass meine Arbeitszeit beweglich war und dem Bedarf angepasst wurde. Diesmal würde sich Julia mir anpassen müssen. Da ich Reiskas Klamotten nicht mitnehmen konnte, würde ich auch noch in der Wohnung am Bulevardi vorbeischauen müssen.
    Ich fuhr Syrjänens Angeberjeep, da er bei seiner Braut im Fond sitzen wollte. Juri nahm Hanna im Jaguar mit, die beiden würden unterwegs noch einkaufen. Als Hanna vorn neben Juri einstieg, erhaschte ich einen Blick auf ihr Gesicht. Sie sah aus wie eine Katze, die ein Vogeljunges entdeckt hat, das noch nicht fliegen kann. Allerdings war Juri durchaus fähig, zu verschwinden, wenn es nötig war, und vielleicht begnügte sich Hanna ja damit, ihn bewundernd anzuschauen wie einen schönen Gegenstand.
    Syrjänen behielt recht, das Wochenende war sonnig, und an der Südwand der Villa in Långvik stieg die Temperatur auf fast zwanzig Grad. Julia ließ sich Beine und Gesicht bräunen, ich joggte in Turnhose und Sporthemd. Als es am Samstagabend dämmerte, hörte ich die erste Amsel in diesem Jahr. Onkel Jari hatte ihnen immer Rosinen gegeben, weil er irgendwo gehört hatte, dass die Vögel sie besonders gern fraßen.
    «Dann singen sie noch schöner», hatte er mir weisgemacht.
    Das Eis auf der Bucht hatte sich bleigrau gefärbt. Am Ufer sah ich ein Reh, das zu überlegen schien, ob es sich auf das Eis wagen sollte. Plötzlich machte es kehrt und verschwand im Wald. Ich wäre seinem Beispiel gern gefolgt. Ich bewegte mich auf viel zu dünnem Eis, früher oder später würde es unter mir nachgeben, und ich würde zwischen Plötzen enden.
    Trotz der Sonne und ihrer gebräunten Beine war Julia schlecht gelaunt, wie meistens, wenn sie sich in Långvik aufhielt. In der Stadt konnte sie jederzeit in Geschäfte oder Cafés gehen, wo sich alle nach ihr umdrehten. In Långvik wurde sie von niemandem bewundert oder beneidet, ohne Einladung konnten ja nur Eichhörnchen und Vögel das von Mauern umgebene Grundstück betreten. Zur Zielscheibe ihres Ärgers wurde Juri Trankow, der nach Julias Meinung die als Vorspeise servierte Pilzsuppe zu laut schlürfte.
    «Du dummer Sibire hast keine Manieren!», fauchte sie auf Englisch, und Juri wurde rot. Julia sprach auf Russisch weiter, ich hörte die Worte Juri Valentinowitsch heraus, Juris Vatersnamen, den er nicht offiziell verwenden konnte, weil Paskewitsch ihn nicht als seinen Sohn anerkannt hatte. Das eben noch gerötete Gesicht wurde blass, Juri stand polternd wie ein Teenager vom Tisch auf und verschwand zuerst aus der Küche, dann aus dem Haus. Er suchte Zuflucht in seinem Atelier. Ich sah die Wut in Hannas Augen, doch sie räumte scheinbar ungerührt Juris Suppentasse und den Teller für das Hauptgericht ab.
    «Was hast du zu ihm gesagt?», wagte Syrjänen zu fragen.
    «Ein paar Fakten, die der Hund nicht vergessen sollte. Er bildet sich ein, wer weiß wer zu sein, dabei ist er nur der Sohn einer Hure und eines kleinen Ganoven!»
    «Julia …»
    «Ich traue ihm nicht, und mein Vater auch nicht. Er hat früher schon Menschen hintergangen, die ihm vertrauten. Es ist besser, auf der Hut zu sein, als ein Messer in den Rücken zu bekommen, stimmt’s, Hilja?»
    Ich machte eine unbestimmte Geste, die Julia als Zustimmung deutete.
    «Er hat dich nicht vor den Tabletten gewarnt! Und woher hat er das Geld für den Jaguar, mit dem er angibt wie ein kleiner Junge?»
    «Ich kann nichts Schlechtes über Juri sagen. Beruhige dich doch, Schatz. Welchen Film möchtest du nach der Sauna sehen? Vielleicht einen, der in New York spielt, zur Einstimmung auf deine Reise? Wir lassen dann den Saunaofen an, falls ihr Frauen nach uns reingehen wollt, oder Juri.»
    Ich war noch nie mit Hanna in der Sauna gewesen und hatte es auch jetzt nicht vor. Hanna trug ein Risotto mit Meeresfrüchten auf. Sie aß nie mit uns, sondern wachte über unsere Mahlzeit wie ein englischer Butler. Auf meine Frage hatte sie mir erklärt, das sei der Wunsch der ersten Frau Syrjänen gewesen, die in einem Haushalt mit einer weitaus größeren Dienerschaft aufgewachsen war.
    Als Julia und Syrjänen gegangen waren, holte Hanna Juri zum Essen. Ich ging in mein Zimmer und rief meine Mails ab. Noch keine Nachricht von Mike Virtue. Vielleicht hatte ich mich geirrt, und er hatte kein Interesse an Treffen mit ehemaligen Schülern. Oder er hatte erfahren, dass ich als Leibwächterin von Anita Nuutinen versagt hatte, und meinte, ich brächte nur Schande über die

Weitere Kostenlose Bücher