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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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als ich sie störte.
    «Ich möchte dieses Video vorübergehend auf deinem Computer speichern und deinem Vater mailen.»
    «Warum nimmst du nicht deinen eigenen Computer und deine Mail?»
    «Weil ich es nicht will.» Meine Strategie hatte zwei Vorteile: Meine eigene Mailadresse wurde nicht preisgegeben, und ich würde Gezolians private Adresse erfahren.
    «Muss das jetzt sofort sein?»
    «So bald wie möglich.» Ich wollte das Video auf meinem Handy löschen.
    Julia erklärte, die Sendung dauere noch eine Viertelstunde. Ihr Computer gehörte zu ihrem Privatbereich, zu dem selbst ich als ihre Leibwächterin keinen Zugang hatte.
    Ich sah mir das Video am Handy noch einmal an. Hoffentlich stellte es Gezolian zufrieden. Was würde ich als Nächstes tun müssen, um ihm meine Loyalität zu beweisen? Ich wusste, welcher Auftrag der wahrscheinlichste war, und der Gedanke daran ließ mich schaudern.
    Julia amüsierte sich über die Aufnahme.
    «Du sprichst wie die schlechteste Schauspielerin der Welt. Du wirkst kein bisschen einschüchternd», kicherte sie, erklärte sich aber dennoch bereit, das Video an die Mail anzuhängen, die ich an ihren Vater geschrieben hatte. Ich kopierte die Datei auf einen USB -Stick, den ich in meinem verschlossenen Waffenschrank aufbewahrte, und riet Julia, die Mail sofort nach dem Absenden zu löschen. Was Gezolian damit tat, lag außerhalb meiner Kontrolle.
    Kurz nachdem alles erledigt war, kamen Syrjänen und Trankow nach Hause. Syrjänen fluchte über die Berichte in den Boulevardblättern und bat mich, die Leserkommentare im Internet durchzusehen. Auf den Webseiten der Abendzeitungen gab es nur ein paar Zuschriften, in denen Satu Syrjänen als krank und Usko als toller Hecht bezeichnet wurde, der selbstverständlich das Recht hatte, sich eine jüngere Frau zuzulegen. Das Blatt wendete sich also zu Uskos Gunsten. Die Beiträge in der Kommentarspalte des Klatschblattes gingen in die gleiche Richtung, auch wenn der eine oder andere Julia als Hure beschimpfte und fragte, wer die Lesbe sei, die über die schwarze Witwe wachte. Irgendein Wichser stellte zudem die Frage ins Netz, was es wohl kosten würde, Julia zu vögeln.
    Nur alberne Idioten interessierten sich so sehr für die Angelegenheiten Wildfremder, dass sie sich die Mühe machten, in Internetforen darüber zu schreiben. Vielleicht fühlten sie sich in dem Moment mächtig. Vor dem Internetzeitalter hatten anonyme Briefe diese Funktion erfüllt. Mike Virtue hatte uns einige anonyme Schreiben analysieren lassen, und wir hatten nie erfahren, ob sie echt oder von Mike selbst verfasst waren. Er wollte, dass wir anhand der Briefe einschätzten, ob ihre Verfasser eine wirkliche Bedrohung für den Empfänger darstellten. Ich hatte alle sechs Briefschreiber als gefährlich eingestuft, was Mike wieder einmal zu der Bemerkung veranlasste, ich sei zu misstrauisch.
    Das würde er jetzt wohl nicht mehr sagen, denn ich hatte eine Stelle angetreten, ohne mich ausreichend über den Hintergrund meiner Schutzbefohlenen zu informieren. Würde ich es über mich bringen, ihm davon zu erzählen, falls wir uns in New York trafen? Seit dem Abschluss meiner Ausbildung an der Sicherheitsakademie war ich nicht mehr dort gewesen. Ich schickte Mike eine Mail und erkundigte mich nach seinem Zeitplan an den Tagen, die wir in New York verbringen würden. Julia wollte dort shoppen und ihr Brautkleid anprobieren, aber es würde sich wohl eine freie Minute finden, in der ich mit Mike einen Kaffee trinken konnte.
    Als ich die Aufnahmetests für die Sicherheitsakademie Queens ablegte, hatte ich den Gründer und Leiter der Akademie auf fünfzig geschätzt. Während der Ausbildung erfuhr ich, dass er bereits zweiundsechzig war. Unter den Kursteilnehmern ging das Gerücht, sein jugendliches Aussehen sei das Resultat von Liftings und Haartransplantationen, doch das hatte ich nicht glauben wollen. Mike hatte sich einfach gut gehalten. Er kannte die Antworten auf alle Fragen, wusste immer, was man tun musste, was richtig und was falsch war. Mike Virtue war der Einzige, den ich nie für verlogen oder unwissend gehalten hatte. Schon als Kind hatte ich begriffen, dass Onkel Jari nicht unfehlbar war und dass auch die anderen Erwachsenen ihre Mängel hatten. Die Lehrer glaubten ihren Lieblingsschülern jedes Wort, und die Bankdirektoren strichen bereits versprochene Kredite, obwohl Matti Hakkarainen deshalb den neuen Traktor nicht kaufen konnte, den er dringend benötigte. Bei Mike war

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