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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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der Kabine trat und zum Wagen zurücklief. Sie sah die Geliebte an ihrem Computer sitzen und an den Worten feilen. Sicher war sie froh über die Aussicht, in den nächsten paar Stunden nicht gestört zu werden. Und dann dachte sie an Deborah, die in einer unbequemen, stinkigen Zelle ausharren mußte. Damit hatte sie nicht gerechnet, damals, als ihr, der Praktikantin bei einer Lokalzeitung in Cornwall, auf einer Party Deborah über den Weg gelaufen war. Lindsay hatte es gleich erwischt. Mit fortschreitendem Abend und steigendem Alkoholspiegel war es ihr gelungen, so lästig zu werden, daß Deborah schließlich um des lieben Friedens willen nachgab und sich einverstanden erklärte, Lindsay am folgenden Abend zu treffen.
    Diese Nacht war die erste von vielen geworden. Ihre oft stürmische Beziehung hatte ein halbes Jahr lang gedauert, bevor Lindsay zu einer anderen Zeitung versetzt wurde. Weder sie noch Deborah hatten den finanziellen wie emotionalen Streß der Trennung ausgehalten. Schon bald veränderten Fälle gegenseitiger Untreue ihre Beziehung und schließlich blieb eine platonische Freundschaft bestehen. Bald darauf hatte Lindsay West Country verlassen und war in die Fleet Street gezogen, und Deborah erklärte, ein Kind haben zu wollen. Sie kaufte ein heruntergekommenes Bauernhaus im Norden von Yorkshire und setzte es praktisch allein wieder instand. Auch später, als Lindsay wieder nach Schottland zurückgekehrt war, besuchte sie Deborah noch regelmäßig und war überrascht, wie sehr sie es genoß, sich mit der kleinen Tochter zu beschäftigen. Sie fühlte sich dort einfach wohl, auch, wenn Caras Vater einmal dabei war. Robin wohnte in der Gegend und war homosexuell. Aber für eine Wiederaufnahme der Liebesbeziehung zwischen den beiden Frauen schien der richtige Zeitpunkt nie gekommen.
    Nachdem sie sich in Cordelia verliebt hatte, waren Lindsays Besuche spärlicher geworden, obwohl sie auch mit Cordelia einmal dort übernachtet hatte. Aber daran dachte sie nur ungern zurück. Deborah war gerade dabei gewesen, das Dach neu zu decken, es gab keinen Strom und das Wasser mußte mit der Hand aus dem Brunnen im Hof gepumpt werden. Cordelia hatte weder die Unterkunft noch die Sorglosigkeit der Besitzerin beeindruckt. Aber Lindsay war eine bislang unbekannte Reife an Deborah aufgefallen, die ihr imponierte.
    Deborah hatte Cordelias Befangenheit sehr wohl bemerkt, aber kein Wort darüber verloren. Sie war bereit, Leute um ihrer selbst willen zu akzeptieren und ihre Beziehungen zu ihnen auf dieser Grundlage zu gestalten. So wie sie nie auf die Idee kam, anderen ihre Erwartungen aufzuzwingen, betrachtete sie auch die eigenen Reaktionen auf die Umwelt als ihre Privatangelegenheit. Und Lindsay mochte es, wenn eine Frau ihren Erwartungen entsprach. Die Besuche bei Deborah waren immer ausgesprochen aufbauend gewesen.
    Zurück im Campingbus packte sie eine Flasche Scotch aus, die sie mitgenommen hatte, und goß sich und Jane einen Schlummertrunk ein.
    »Alles in Ordnung, Lindsay?« erkundigte sich Jane.
    Lindsays Antwort ging in von draußen hereinschallendem Krach unter, der sogar das Gewitter übertönte. Eine gewaltige Lärmwelle schwoll zornig an und ebbte wieder ab. Lindsay sprang auf und schob den Vorhang vor der Windschutzscheibe zur Seite. Mit einem Mal schnürte ihr Angst die Kehle zusammen. Dutzende grelle Lichter durchzuckten die nächtliche Dunkelheit. Ihre Strahlen glitten über die Zelte wie Suchscheinwerfer in einem Straflager. Motorräder dröhnten hochtourig in kreisförmigen Bahnen rund ums Camp und demolierten dabei immer wieder Zelte. Als Lindsays Augen sich an die Lichtverhältnisse draußen zu gewöhnen begannen, erkannte sie auf mehreren Fahrzeugen Beifahrer. Einige schwangen dicke Knüppel, andere schwere Ketten, und zwar gegen alles, was ihnen in die Bahn kam. Offensichtlich war es nicht das erste Mal, daß die Frauen in dieser Weise überfallen wurden. Alle blieben wie auf Verabredung innerhalb des spärlichen Schutzwalls, den die Zelte boten.
    Lindsay und Jane standen sprachlos da: Das Spektakel hatte sie völlig versteinert. Das Licht im Inneren des Busses schien auf drei der Fahrer eine magische Anziehung auszuüben. Ihre starken Scheinwerfer kehrten immer wieder dorthin zurück und erhellten das Gebiet um den Wagen wie eine Bühne.
    »Shit«, fauchte Lindsay, als die Motorräder auf den Wagen zusteuerten. Sie lehnte sich verzweifelt nach vorne und begann, an dem ungewohnten Armaturenbrett

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