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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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einnickte, wurde sie von verwirrenden und schmerzlichen Träumen verfolgt.
    Cara wachte in aller Frühe quengelig auf, während Lindsay mit den ungewohnten Tücken des Campingbusses kämpfte, bevor sie beide in den Genuß von Dusche und Frühstück kamen. Glücklicherweise hatte der nächtliche Regen alle Spuren des Schweinebluts weggewaschen. Da sich die Wagenschlüssel bei Deborah im Kommissariat befanden, fuhren sie mit Lindsays Auto in die Stadt.
    Das Fordhamer Bezirksgericht war in einem großen und eleganten georgianischen Bürgerhaus in einer stillen Sackgasse abseits der Hauptstraße untergebracht. Beim Betreten des Gebäudes verflüchtigte sich der vornehme Eindruck. Die ausgewogenen Proportionen der Eingangshalle waren durch mehrfache Aufteilungen für Warteräume und Büros zerstört worden. Eine Unzahl unbequemer Kunststoffsessel hatte anscheinend die ursprüngliche Chippendale-Einrichtung verdrängt. Die Farbe blätterte von den verwahrlosten Wänden und schaler Ämtermief mischte sich mit kaltem Zigarettenrauch. Plötzlich, mit jener Sorte Menschen konfrontiert, die üblicherweise in Bezirksgerichten anzutreffen sind, klammerte sich Cara an Lindsays Hand. Uniformierte Polizisten tummelten sich auf den Gängen und Treppen. Einige Gerichtsdiener, die offensichtlich gerade dem Gruselkabinett entsprungen waren, standen zwanglos plaudernd beim Teestand der Caritas, wo eine Frau in mittleren Jahren grauen Kaffee und orangenen Tee ausschenkte. Die Szene wurde durch die eingeschüchterten Opfer der gerichtlichen Prozeduren bereichert. Ein paar von ihnen steckten gerade die Köpfe mit ihren flott wirkenden und gut gekleideten Anwälten zusammen.
    Ausnahmsweise fühlte sich Lindsay bei Gericht nicht in ihrem Element. Sie führte es auf die ungewohnte Gegenwart einer Vierjährigen an ihrer Hand zurück und näherte sich den Gerichtsdienern. Auf die Frage nach dem Café, wo sie mit Judith verabredet war, wurde sie in den ersten Stock geschickt. Die Rechtsanwältin saß bereits im korrekten Nadelstreifenkostüm und austerngrauer Bluse an einem der Tische. Sie holte Kaffee für Lindsay und Orangensaft für Cara und schlug vor: »Lindsay, du solltest ständig im Gerichtssaal anwesend sein. Wie glaubst du reagiert Cara, wenn wir sie einem freundlichen Polizisten anvertrauen? Oder hat sie sich auch schon das Mißtrauen der Frauen gegenüber der Polizei angeeignet?«
    Lindsay zuckte die Achseln. »Am besten fragen wir Cara selber.« Sie wandte sich dem Mädchen zu und erklärte: »Wir müssen jetzt in den Gerichtssaal hineingehen, aber ich glaube nicht, daß du uns begleiten darfst. Was hältst du davon, wenn wir einen Polizisten bitten, sich zu dir zu setzen und ein wenig mit dir zu plaudern, während wir weg sind?«
    »Holt ihr meine Mami?« wollte Cara wissen.
    »Bald.«
    »Na gut. Aber nicht lange wegbleiben, ja Lindsay?«
    »Nein, versprochen.«
    Zusammen gingen sie die Treppe hinunter in den Gang vor dem Gerichtssaal und Judith versuchte, Unterstützung aufzutreiben. Schon bald kam sie mit einer jungen Polizistin zurück, die sich Cara vorstellte: »Ich heiße Barbara. Ich bleibe hier bei dir sitzen, bis deine Mama zurück ist. Einverstanden?«
    »Ich glaub’ schon«, befand Cara widerstrebend. »Kennst du ein paar gute Geschichten?«
    Als Lindsay und Judith gerade den Gerichtssaal betreten wollten, hörten sie Cara die intelligente Frage stellen: »Meine Mami sagt immer, die Polizei soll uns helfen. Warum hat die Polizei dann meine Mami mitgenommen?«
    Der Gerichtssaal selbst war seit den ruhmreicheren Tagen des Hauses kaum verändert worden. Der Parkettboden glänzte in voller Politur, die Wände in jungfräulichem Weiß. Am Ende des Saals befand sich ein Podium mit drei Richtern an einem Tisch. Das Haar der etwa fünfundvierzigjährigen Vorsitzenden war so ausgiebig mit Spray behandelt worden, daß es Assoziationen an Glaswolle weckte. Ihr Mund bestand aus einer einzigen harten Linie.
    Rechts und links von ihr saß jeweils ein Mann. Der eine, ein Endfünfziger, strahlte das gesunde, wettergegerbte Aussehen des begeisterten Seglers aus, der andere, Mitte Dreißig und mit gepflegten dunkelbraunen Haaren, hätte in seinem tadellosen Anzug ebenso als Jungmanager durchgehen können. Um Augen und Kinn wirkte sein Gesicht mit der leicht unzufriedenen Miene etwas aufgedunsen.
    Das Gericht beendete ein Schnellverfahren wegen Trunkenheit und Ruhestörung mit einer Geldstrafe von vierzig Pfund und ging zu Deborahs Fall

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