Das Nest
nicht mit der Dazwischenkunft von neuen Umständen. Sarah Dreher schickte Stoner 4. Mehr als zwei Jahre vor der möglichen Diskussion um Stoner 3 saßen wir resigniert um den nächsten Roman, der die immergleiche Stoner in die Geschichte zurückwirft, wo sie ihre geliebte Gwen wiederum retten und alle anderen Gestalten – die Tante, die mütterliche Freundin etc. in allerlei vorherigen Inkarnationen treffen darf. Wir hatten das Gefühl, die Autorin habe uns unsere Heldin geraubt. Aus unserer möglichen Geschichte eine historische Person herausgerissen und in eine unsinnige Welt geworfen, unter Verwendung von Versatzstücken aus den vorhergehenden Stoners. Wir wollten diesen Krimi keinesfalls und vor allem nicht, bevor wir Stoner 3 nicht mit den Leserinnen diskutiert hätten. Die Marktgesetze verlangten, daß wir uns schnell entscheiden. Kurz, Orlanda nahm das von uns verschmähte Buch und brachte es als zweiten Stoner auf den Markt. Selbst die Buchhändlerinnen waren verwirrt, als wir jetzt Stoner 2 ankündigten.
Gibt es eine Möglichkeit, den Streit um die Maßstäbe als Stoner-Streit schon jetzt zu beginnen? Schreibt uns, schickt uns Eure Auffassungen. Wir versuchen, die erste Nummer vom Ariadne-Forum im nächsten Frühjahr fertig zu haben.
Verglichen zu Stoner sind die jeweils zweiten Folgen von McDermid und Carlson ganz unstrittig. Bei Carlson war es gerade die Fähigkeit der Autorin, ihre Heldin Maggie Ryan von Krimi zu Krimi aus den vorherigen Fällen lernen zu lassen und so mit uns und unserem Wissen zugleich weiterzuarbeiten, die uns von Anfang an so begeisterte, daß wir inzwischen 7 Romane aus diesem Zyklus gekauft haben (sie erscheinen bis 1996 und länger, da nicht anzunehmen ist, daß die Autorin aufhört, ihre Geschichten weiterzuspinnen). McDermid hat ebenfalls eine Serienheldin, die Journalistin Lindsay Gordon. Die Stärke dieses Krimis ist es, daß die Handlung in Bereichen spielt, in denen Feministinnen auch in unserer Wirklichkeit politisch tätig sind – Krimispannung baut sich hier um ein Frauenfriedenscamp.
Besondere Energie gilt unseren Versuchen, deutschsprachige Krimiautorinnen zu finden. Hier können wir nicht einfach aus Vorhandenem wählen (es ist nicht möglich, anderen Verlagen einfach ihre Krimis auszuspannen), die Autorinnen selber müssen noch entdeckt werden. Zwar bekommen wir viele Manuskripte zugeschickt, aber irgend etwas scheint an der deutschen Sprache und Landschaft zu sein, was sie für Krimis schwerfällig, oft nicht geheimnisvoll genug, allzu gewohnt macht. Kurz: wir tun uns schwer und sind so auch eine Bürde für die Autorinnen. Jetzt bringen wir Sonja Lasserres Roman »Gestern, heute und kein Morgen«, der von Ärztinnenalltag, deutscher Geschichte und Altenpflege handelt. Mit deutschsprachigen Autorinnen können wir – mehr noch als mit fremdsprachigen – während des Schreibens diskutieren. Sie fordern von uns neue Formen der Zusammenarbeit. Das heißt nicht, daß sie alle unsere Vorschläge aufnehmen müssen. Das heißt auch nicht, daß die Möglichkeiten des Vorschlagens beendet sind, wenn der Krimi erst mal auf dem Markt ist. Schließlich schreiben die meisten weiter. Ratschläge von Leserinnen sind daher immer willkommen.
Frigga Haug (August 1991)
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