Das Netz der Chozen
er. »Was würde ich tun, wenn ich an ihrer Stelle wäre? Den Planeten mit Bomben auslöschen?
Nein. Diesmal nicht. Das hat sich schon einmal als Fehlschlag erwiesen.« Er blickte mich an. »Ich würde jedes Raumschiff, das dort unten oder im Orbit ist, als kontaminiert betrachten und daran hindern, daß es dieses System verläßt, das ist sicher.«
»Richtig«, stimmte ich ihm zu. »Ich wette, sie werden ein halbes Dutzend Schiffe erledigen, nur weil sie zufällig in der Nähe sind.«
Er hob die Schultern. »Die Verbreitung von Panik ist Teil unserer Strategie. Denken Sie daran, daß fünfzehn von uns die gesamte Menschheit herausgefordert haben, siebenhundert Milliarden Menschen. Wir müssen jetzt nachdenken. Wenn sie nachgeben, haben sie verloren. Es wäre eine bedingungslose Kapitulation. Wir könnten ihnen jede Bedingung stellen.«
»Aber unsere Bedingungen sind doch sehr bescheiden«, erklärte ich. »Wir würden uns mit St. Cyril zufrieden geben.«
»Das wissen sie nicht«, sagte George. »Außerdem reicht der Planet uns zwar vielleicht jetzt, aber vielleicht nicht für immer.
Das wissen Sie genau so gut wie Seiglein und die anderen. Und wir sind biologische Konkurrenten; wir brauchen dieselbe Umwelt wie die Menschen. Sie selbst haben mir erklärt, wie schwierig es ist, einen terraformbaren Planeten zu finden. Und wir sind ihnen gegenüber erheblich im Vorteil. Wir vermehren uns weitaus schneller als sie, können uns mit Hilfe des Virus jede nur einigermaßen passende Welt in eine Chozen-Umwelt verwandeln.
Ihre ganze Wirtschaft, ihr ganzes System beruht auf einer kontinuierlichen Expansion, und das wissen sie.«
»Aber darüber haben wir uns doch schon hundertmal unterhalten«, protestierte ich.
»Das war unter anderen Umständen. Zwischen dem Planen einer großen Expedition und ihrer Durchführung mit den angestrebten Resultaten besteht ein riesiger Unterschied. Planer sind Träumer — müssen es sein. Auch wir. Besonders wir. Weil uns keine andere Wahl blieb, als dieses Unternehmen durchzuführen.«
»Also sie werden St. Cyril nicht in die Luft jagen — jedenfalls nicht jetzt«, resümierte ich. »Wenn sie es vorgehabt hätten, wäre es schon passiert, und ich hätte die Energieimpulse empfangen.
Und sie wollen auch nicht auf unsere Bedingungen eingehen.
Aber was haben sie dann vor?«
»Ich an ihrer Stelle würde versuchen, Zeit zu gewinnen — so viel wie möglich«, sagte George. »Als erstes würde ich St. Cyril unter Quarantäne stellen und alles genau beobachten, damit ich weiß, was wirklich passiert. Seiglein hat bei Patmos einen schweren Fehler gemacht: er hat Moses entkommen lassen — er hat uns nicht erwischt, und dann den Planeten zerstört, anstatt sich von ihm die Informationen zu holen, die er brauchte, um zukünftigen Bedrohungen entgegentreten zu können. Das war dumm von ihm. Aber die Neun Familien sind alles andere als dumm, als Gruppe genommen. Nein, ich würde St. Cyril intakt halten und zulassen, daß es in eine Chozen-Umwelt verwandelt wird. Ich würde alles genau beobachten, alles notieren, und die Ergebnisse sorgfältig auswerten.«
»Aber sie können nicht auf den Planeten«, sagte ich. »Sonst erwischt sie das Virus auch.«
George hob die Schultern. »Sie können Nurds hinabschicken und Proben analysieren, so wie Sie es auch getan haben, nur besser, weil sie die besten Computer haben, und die besten Biologen für die Aufgabe heranziehen können. Es wird bestimmt nicht leicht sein, aber eines Tages werden sie eine Lösung finden.«
»Und wie soll die aussehen?« fragte ich, etwas nervös geworden. Die anderen drängten sich um uns und hörten unserer Diskussion schweigend zu.
»Ein Antitoxin. Irgendein Mittel, das nur das Virus angreift, aber sonst nichts.«
Ich dachte darüber nach. »Meinen Sie, daß es so etwas gibt?«
Er nickte. »Bestimmt. Früher oder später findet man gegen alles ein Mittel. Wenn man das Virus vernichtet, tötet man auch die Chozen, aber nichts, was man braucht, um den Planeten wieder zu terraformen. Sie werden St. Cyril als Labor benutzen. Die Leute dort unten sind ihre Versuchstiere. Und früher oder später werden sie eine Lösung finden.«
Ich fühlte eine tiefe Niedergeschlagenheit. Ich blickte zu Marsha hinüber, die noch immer in tiefer Bewußtlosigkeit lag. Ich dachte an Shem, der irgendwo im Raum trieb. Für immer. Für nichts. Alles für nichts.
Eins der jüngeren Mitglieder des Komandos sprach aus, was wir alle dachten.
Weitere Kostenlose Bücher