Das Netz Der Grossen Fische
kann sich auf einen reichen Schatz umfassender, solider Kenntnisse der vielfältigen und komplexen Gegebenheiten unserer Insel berufen, da er über so lange Zeit von einer besonderen Warte aus agieren konnte, die in einem gewissen Sinn super partes angesiedelt war. Die Wertschätzung und das Vertrauen, das er sich bei sämtlichen politischen Fraktionen zu erwerben verstanden hat, die Transparenz seines Handelns, die bei allen Gelegenheiten gezeigte Fairness lassen hoffen, dass seine Mitwirkung innerhalb der Bank stets so engagiert und von entscheidender Bedeutung sein wird, wie sie es für die Regionalversammlung bis zum heutigen Tag war. Das war unser letzter Beitrag. Buonanotte.
Er hatte Antonio Sacerdote, den seine Freunde Nino nannten, seinen Glückwunsch ausgesprochen, so wie Totò Basurto – oder genauer gesagt: wie der Senator – es gewollt hatte.
Und jetzt, auf dem Weg vom Studio in sein Büro, beglückwünschte er sich selber.
Seine Worte würden ganz sicher nicht stillschweigend hingenommen werden. Irgendjemand würde ihn zur Rechenschaft ziehen und Erklärungen verlangen.
Er traf Cate telefonierend an. Sie verdeckte die Sprechmuschel mit einer Hand und sagte mit leiser Stimme:
»Lamantia.«
»Ich nehm den Anruf sofort entgegen. Aber geh du dann nach Hause.«
»Wenn Sie noch bleiben …«
»Du kannst ruhig gehen, stell die Umleitung auf meinen Apparat an. Bis morgen.«
Auf seinem Schreibtisch klingelte das Telefon.
»Gabriè? Was gibt’s?«
»Du hast ein ganz schönes Tohuwabohu ausgelöst, Michè, mit dem, was du gerade gesagt hast!«
»Was meinst du damit?«
»Ich bin hier in der Redaktion des ›Giornale di Sicilia‹. Sie schreiben jetzt in höchster Eile alles neu. Und weißt du, mit welcher Überschrift? ›Antonio Sacerdote neuer Vorsitzender der Banca dell’Isola?‹ Sie fügen zwar ein Fragezeichen hinzu, aber der Artikel stellt die Sache als Fakt dar. Und auch in Catania setzt ›La Sicilia‹ ihre Titelseite neu mit einer nahezu identischen Schlagzeile.«
»Gabriè, ich weiß ja nicht, ob du mich gehört hast, aber ich habe mich darauf beschränkt zu sagen, dass Sacerdote Teil der Verwaltungsrats geworden ist, ich habe nichts von Vorsitz und dergleichen gesagt.«
»Bei mir brauchst du nicht den Ahnungslosen zu spielen, Michè!«
»Hör zu, Gabriè, ich habe meine Meinung geändert. Treffen wir uns doch im Restaurant, in einer halben Stunde? Die haben ja bis halb drei morgens geöffnet.«
»Ach, einen Augenblick, das habe ich ja ganz vergessen … Hast du schon das Neueste von Filippone gehört?«
»Dem Abgeordneten? Nein.«
»Du weißt doch, dass er der Eigentümer eines riesigen Agrarunternehmens ist und beträchtliche Subventionen aus Brüssel erhält?«
»Ich wusste zwar, dass er so ein Unternehmen hat, aber nichts von Subventionen. Wieso? Was ist denn passiert?«
»Passiert ist, dass heute Morgen die Finanzpolizei eine Durchsuchung bei ihm vorgenommen hat.«
»Du meinst eine Kontrolle?«
»Nein, eine Durchsuchung. Es heißt, dass sie seit zwei Wochen heimlich ermitteln, nachdem sie einen einschlägigen anonymen Brief erhalten haben. Und in der Tat wusste keiner was. Es heißt, dass sie erhebliche Unstimmigkeiten festgestellt hätten. Um es kurz zu machen, Filippone steckt ganz ordentlich in Schwierigkeiten. Das habe ich heute Abend in der Zeitungsredaktion erfahren, morgen wird die Nachricht über die Durchsuchung in der Presse erscheinen. Wir sehen uns in einer halben Stunde.«
Die Maschine hatte einen weiteren von denen erfasst, die sich ihr in den Weg stellen wollten.
Kaum hatte er aufgelegt, klingelte das Telefon erneut.
»Buonasera. Spreche ich mit Dottor Michele Caruso?«
Diese Stimme war ihm unbekannt.
»Ja.«
»Ich bin Antonio Sacerdote, buonasera.«
»Buonasera. Womit kann ich dienen, Dottore?«
»Lassen Sie es mich kurz machen. Ich möchte nur sagen, wie dankbar ich Ihnen für alles bin, das Sie eben so überaus großzügig …«
»Ich habe nur gesagt, was ich denke.«
»Aber sehen Sie, heutzutage trifft man kaum noch Menschen, die sagen, was sie denken! Es herrschen List, Betrug und doppeltes Spiel. Wenn Sie wüssten, wie viele Gemeinheiten über das brutale Ende meiner Tochter Amalia ich mir in dieser Trauerzeit anhören musste! Zum Glück hat mich die Zuneigung von wahren Freunden wie Senator Stella und einigen anderen getröstet. Apropos, der Senatore lässt Sie grüßen. Ich habe kurz zuvor mit ihm gesprochen. Da er mich von Rom aus
Weitere Kostenlose Bücher