Das Netz der Schattenspiele
an diesem Tag gleich seine ganze Pracht zur Schau stellte. Er wirkte ein wenig irritiert ob der guten Laune der Besucherin.
»Wie soll ich Euch nennen?«, brummte er.
»Wohl schlecht geschlafen, was?«, fragte Stella, fügte dann aber schnell hinzu: »Schnuppe. Das ist mein Name.«
Wieder verwandelte sich das anfänglich ablehnende Verhalten des Wächters in reservierte Höflichkeit. Er öffnete das Portal und Stella trat in den großen Saal der Schwarzen Sonne mit all seinem Tohuwabohu.
Nachdem sie von dem affigen Rotrock ihr Namensschild in Empfang genommen hatte, stürzte sie sich ins Getümmel. Es dauerte nicht lange und sie hatte Elektra ausfindig gemacht. Sie sprach gerade mit der Vogelscheuche und dem Alten, dessen Frisur der Blitz geformt hatte.
»Elektra!«, rief Stella in Geheimsprache und sofort wandte sich die grünhaarige Elfe zu ihr um. Auch sie bediente sich nun der für Außenstehende unsinnig erscheinenden Worte.
»Schnuppe! Du bist pünktlich. Darf ich dir meine Freunde vorstellen? Das hier ist Haeresia«, dabei deutete sie auf die Vogelscheuche, »und der da nennt sich Einstein.«
Einstein, dachte Stella. So kann doch nur ein Trottel heißen, aber sie nickte den beiden merkwürdigen Gestalten freundlich zu.
»Und dort«, sagte Elektra enthusiastisch. »Ta-ta-ta-taaa! Dort ist auch schon unser Lauscher.«
Stella war wie gelähmt. Sie schaffte es kaum, sich umzudrehen und in die von Elektra gezeigte Richtung zu blicken. Als es ihr doch gelang, entdeckte sie tatsächlich den unsteten Schemen. Obwohl eine Rauchfahne nicht gerade viele Anhaltspunkte bot, erkannte sie das schattenhafte Gebilde sogleich wieder.
»Ich finde es nicht gut, dass er hier ist«, presste sie zwischen den Zähnen hervor. »Ich traue ihm nicht. Warum versteckt er sich hinter diesem Schatten?«
»Das ist sein Markenzeichen. Er ist eben der Dunkle Lauscher. Nicht nur hier in Blaxxun trägt er diesen Spitznamen, sondern überall in unserer Welt.«
»Das ist wahr«, pflichtete ihr der Lauscher bei. »The Dark Listener geistert durch das ganze Netz.«
Stella erkannte die Stimme sofort wieder. Ein Schauer lief ihr wie ein Heer von Ameisen über den Rücken. Der Dunkle Lauscher hatte sich derselben Geheimsprache bedient, in der sie sich auch mit Elektra verständigte. Einerseits fühlte Stella sich verraten, andererseits sagte eine Stimme in ihr, sie müsse Lauscher eine Chance einräumen. Elektra vertraute ihm offenbar. War das nicht Sicherheit genug?
Unerwartet begann sich der Schemen vor Stellas Augen zu verändern. Er gewann an Kontur. Schließlich erschien er ihr wie der Schatten eines Mannes vor einer Wand, bekleidet mit einem langen Umhang und einem nach oben spitz zulaufenden Hut.
»Wir sind uns schon einmal begegnet, nicht wahr?«
Obwohl die Stimme des Dunklen Lauschers alles andere als unfreundlich klang, gelang es Stella nicht, das Frösteln aus ihren Gliedern zu vertreiben. Sie sah den Schatten argwöhnisch an, erwiderte jedoch nichts.
»Es war in Amico«, fuhr der daher fort.
»Elektra, wie kannst du ihm nur vertrauen?«, zischte Stella ihrer Verbündeten zu, doch diese lachte nur.
»Lauscher ist in Ordnung, Schnuppe. Das kannst du mir glauben. Er steckt zwar überall seine Nase rein, aber dafür ist er auch der größte Hacker auf Gottes weiter Erde.«
Stella überlegte, was Elektra wohl mit dem Begriff »Hacker« meinte. Das klang irgendwie nach Bergarbeiter. Doch sonderbarerweise stellte sich bei ihr schnell der Gedanke ein, es könne sich dabei um einen Gattungsbegriff mit ähnlicher Bedeutung wie das Wort »Frettchen« handeln. Sesa Mina war eine Spürnase sondergleichen und sie hatte Stella in den Keller des Katasteramtes geführt, wo sie das geheimnisvolle Manuskriptfragment fand. Und genau dort war sie auch zum ersten Mal dem Dunklen Lauscher begegnet.
Als wäre Elektra ihren Gedanken gefolgt, sagte diese nun: »Lasst uns in den privaten Raum gehen. Wir müssen über den Kagee -Text sprechen.«
Am liebsten hätte Stella genau das Gegenteil getan und wäre einfach davongelaufen, aber um Elektras willen zügelte sie ihr Misstrauen. Irgendetwas in ihr mahnte sie abzuwarten. Vielleicht hatte sie der Speer, den sie keinen Moment aus der Hand legte, ja nicht einfach nur nach Blaxxun geführt, sondern ganz bewusst mit dem unheimlichen Schemen zusammengebracht.
Sobald die Tür des Plauderraumes hinter ihnen ins Schloss gefallen war, sagte Stella zu dem Schatten: »Hast du etwas mit dem Speer hier zu
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