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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Umgebung mit anderen Augen. Das, was ihr da eben widerfahren war, ließ sich wohl noch am besten mit dem Wort »Erleuchtung« beschreiben. Der Gedanke war erregend. Umso mehr, da sie nicht wusste, woher er kam.
    Dann überlegte sie, weshalb der Großmeister des Lindwurmbundes gerade sie für diesen Auftrag ausgewählt hatte. Ob es mit diesem verborgenen Wissen, dieser geheimnisvollen anderen Stella zu tun hatte, die sich ihr in den letzten Tagen Stück für Stück offenbart hatte? Erst waren es nur Erinnerungen gewesen, die sich visionenhaft einstellten, und nun diese plötzliche Erkenntnis, dass es da noch eine andere Wirklichkeit neben derjenigen Illusions gab. Zumindest – und das beruhigte Stella ungemein – blieb ihre jetzige Welt für sie greifbar real. Sie konnte das Pflaster unter ihren Füßen spüren und die Gerüche vom nahen Markt mit der Nase aufnehmen.
    Im Hafenviertel angelangt, machte sich Stella sogleich auf die Suche nach ihrer Patrone. Beim letzten Mal war sie zu erschöpft gewesen, um sich den Liegeplatz ihres Gefährtes einzuprägen. Wie lange lag das nun eigentlich zurück? Einen Tag, zwei oder vielleicht sogar drei? Sie hatte das Gefühl, dass die letzte Zahl der Wahrheit wohl am nächsten kam. Nach kurzer Zeit hatte sie ihre Patrone gefunden. Sie entriegelte die Luke, kritzelte den geheimen Namen Blaxxuns auf ein Zettelchen und ließ es in das Navigationsröhrchen gleiten. Dann wartete sie.
    Es dauerte nicht lange und das Frettchen kehrte zurück. Wie ein weißer Blitz schoss es über die Hafenmole. Mit einem weiten Satz sprang Sesa Mina in die Patrone und rief: »Schnell! Fahr zum östlichen Wassertor.«
    »Aber was soll ich denn da? Ich habe dir doch gesagt, dass wir die Kontrolleure…«
    »Red nicht immer so viel, sondern handle!«, schnitt ihr Sesa Mina das Wort ab.
    Stella ließ die Luke zuklappen und formte den Gedanken, der das Fahrzeug in Bewegung setzte. Während sich die kleine Patrone ihren Weg durch den dichten Verkehr im Hafen bahnte, machte Stella ihrem Unmut Luft.
    »Ich würde aber doch ganz gerne erfahren, was du vorhast, Mina. Immerhin bin ich deine Herrin und nicht umgekehrt.«
    Das Frettchen lachte piepsend. »Keine Sorge, ich werde dir deine Stellung schon nicht streitig machen. Sonst müsste ich mir mein Futter ja wieder selber suchen.«
    »Sehr witzig!«
    »Ich dachte eigentlich, wir wären Freundinnen.«
    »Warum sollen ein Meister und sein Geselle nicht auch befreundet sein?«
    »Fragt sich nur, wer hier der Meister ist!«
    Noch ehe Stella auf diese vorlaute Bemerkung eine passende Antwort eingefallen war, gelangte die Patrone in die Nähe des Osttores. Gerade verließ eine längere Karawane aus Wasserfahrzeugen unterschiedlichster Größe die Stadt.
    »Beeil dich, die sind gleich draußen«, drängte Sesa Mina.
    »Ich verstehe immer noch nicht, was…«
    »Häng dich einfach ans Ende des Zuges. Die Kontrolleure haben ihn bereits überprüft. Es wird gar nicht auffallen, wenn wir sozusagen huckepack mit den Händlern reisen. Die Grenzposten schikanieren eh längst schon wieder die nächsten Reisenden.«
    Stella hoffte nur, dass Sesa Minas Plan funktionierte. Selbst wenn ihre Identifikation in Ordnung war, würde der Versuch, heimlich die Stadt zu verlassen, unweigerlich den Argwohn der Kontrolleure wecken. Die Blechgesellen wären sicherlich hocherfreut, Stella mit ihren Niederträchtigkeiten überhäufen zu können.
    Anders als befürchtet bemerkte jedoch niemand die unscheinbare Patrone im langen Zug der Frachtfahrzeuge. Sobald die Karawane außerhalb der Stadt war, setzte sich Stella ab.
    Die Einreise nach Blaxxun verlief ohne Komplikationen. Über Umwege bahnten sich Stella und ihre kleine Lotsin einen Weg zur Schwarzen Sonne. Auch an diesem Tag war es wieder sehr voll in der Stadt. Alle möglichen schillernden Figuren kreuzten Stellas Weg, angefangen von mannsgroßen Fröschen mit roten Rüschenkragen bis hin zu muskelbepackten Exotinnen, deren spärliche Bekleidung Stella die Schamesröte ins Gesicht trieb.
    Von della Valle war allerdings nichts zu sehen. Entweder hatte er seine Nachstellungen aufgegeben oder er verhielt sich nun geschickter. Stella verschwendete nicht allzu viele Gedanken auf (ihn. Sie hatte immer noch den Speer. Und was für Drachen gut war, konnte auch einen aufdringlichen Schergen in die Schranken weisen.
    Unbehelligt gelangte sie vor die Tür der Schwarzen Sonne.
    »Wie geht es Euch heute, Oper Ator?«, begrüßte sie den Türsteher, der

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