Das Netz der Schattenspiele
raffinierter Wurm wird als solcher nur selten erkannt werden, die Computersysteme scheinen einfach zu ›spinnen‹. Manchmal fallen sie aus, lassen sich aber nachher wieder aktivieren und verrichten, wie es scheint, weiterhin gehorsam ihren Dienst.«
Mark sah bedeutungsvoll schweigend in die Runde seiner atemlos lauschenden Zuhörerschaft.
»Aber dann kommt der Tag des letzten Stadiums, der Zerstörungsphase: Innerhalb kürzester Zeit werden weltweit alle Datenbestände zerstört und die Computer fallen aus. Sollte es hier und da gelingen, die Rechner ›wieder zu beleben‹ und mithilfe von Datensicherungen erneut in Betrieb zu nehmen, werden nach kurzer Zeit auch diese Informationen vernichtet werden…«
»Aber wie ist das möglich, Professor Kalder?«, unterbrach diesen ein junger Mann.
»Dem Cyberwurm stehen mehrere Möglichkeiten offen«, antwortete Stellas Vater. »Zum einen weiß niemand so genau, wie lange er während der Penetrierungsphase schon in den Rechnern ›geschlafen‹ hat. Es ist also durchaus denkbar, dass sämtliche Generationen der Datensicherung von dem Ungeziefer befallen sind. Auf der anderen Seite könnte der Wurm ein System auch mehrfach befallen, sobald es über Datenleitungen wieder mit anderen Computern in Verbindung tritt. Es gibt noch weitere Szenarien, Sie können sie in den Unterlagen nachlesen, die Sie im Anschluss an meinen Vortrag erhalten werden.«
Salomon führte nachfolgend zu jeder der von ihm kurz umrissenen Phasen weitere Details aus. Nachdem er die letzte »Folie« aus seinem Notebook präsentiert und besprochen hatte, entstand ein längeres Schweigen. Vielleicht war sich bis zu dieser Stunde noch keiner der Anwesenden richtig bewusst gewesen, wie real die Bedrohung durch die I-Bombe war und welche schrecklichen Folgen sie für die Menschheit haben würde. Es ging dabei nicht nur um den Verlust von Daten. Der Zusammenbruch von Verkehrs- und Versorgungssystemen würde definitiv auch Tote und Verletzte fordern. Weltweit musste mit Millionen von Opfern gerechnet werden, den schlimmsten Fall gar nicht berücksichtigt. Stellas Vater hatte ihn in einem einfachen Satz umschrieben.
»Stellen Sie sich vor, es gelänge dem Cyberwurm, die Leitsysteme des nuklearen Waffenarsenals der Atommächte unter seine Kontrolle zu bekommen.«
Nachdem die Betroffenheit am Tisch etwas gewichen war, erhob sich eine angeregte Diskussion. Zahlreiche Teammitglieder hatten Fragen oder brachten Einwände vor. Salomon lieferte Antworten, erläuterte weitere Details. Sein Schreckensszenario war so perfekt, dass niemand es entkräften konnte.
Schließlich ergriff Agaf Nbugu wieder das Wort, der lange schweigend zugehört hatte. »Wenn ich unsere momentane Situation mit Ihren Schilderungen vergleiche, dann befinden wir uns augenblicklich also in Phase drei Ihres Szenarios, Professor Kalder?«
»Sagen Sie doch bitte Mark zu mir, Mr. Nbugu. Ihre Frage muss ich leider mit Ja beantworten. Sollte meine Hypothese stimmen, dann befinden wir uns irgendwo vor dem großen Knall.«
»Und Sie nennen mich bitte Agaf, Mark – wir reden uns hier übrigens alle mit Vornamen an. Eine Frage hätte ich noch, bevor wir das Thema wechseln. Wie viel Zeit bleibt uns noch, Mark? Wann wird die I-Bombe hochgehen?«
»Lassen Sie uns bitte hier raus, Billy.«
Der CIA-Agent sah verwirrt in den Rückspiegel. »Aber bis zum Hotel sind es noch ein paar Blocks, Miss Kalder.«
»Billy hat Recht«, stimmte Salomon dem vermeintlichen Taxifahrer zu.
»Ich möchte aber noch eine Pizza von Fernando’s haben.«
»Aber Sternchen, das New York Hilton 8t Towers ist ein Vier-Sterne-Hotel! Das Restaurant dort besitzt eine exzellente Küche. Und Agaf hat ausdrücklich gesagt, dass wir Gäste der Vereinten Nationen sind. Warum willst du dich dann mit einer Pizza abspeisen lassen?«
»Halten Sie bitte hier an, Billy.« Um ihrer Aufforderung Nachdruck zu verleihen, klopfte Stella dem Fahrer durch die geöffnete Trennscheibe hindurch auf die Schulter. An ihren Vater gewandt erklärte sie dann in wohl akzentuiertem Englisch: »Du weißt, Dad, dass ich in New York Fernando ’s Pizza Factory immer zuerst einen Besuch abstatte.«
Salomon blickte ihr forschend in die Augen. Dann seufzte er. »Also gut, Billy, wir steigen hier aus. Könnten Sie unser Gepäck bitte trotzdem im Hotel abliefern?«
»Kein Problem, Professor.«
Nachdem Stella und Mark an der 42. Straße West, Ecke Avenue of the Americas, direkt gegenüber dem Bryant
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