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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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kann.«
    Als wir uns dem Haus näherten, blieb ich stehen, starrte das große, alte Gebäude an, das mir wie ein alter Hochzeitskuchen erschien; dort, wo Braut und Bräutigam hätten sein sollen, aber nicht waren, befand sich die Kuppel. Die hohen, schmalen Fenster erschienen mir wie Schlitzaugen, die nach draußen gekehrt waren. Aber wenn ich im Haus war, sah ich, daß die Fenster sich nach innen wandten und ein Auge auf jeden hatten, vor allem auf mich.
    Papa zerrte mich weiter. Ein komischer, kleiner schwarzer Wagen parkte auf der langen, geschwungenen Auffahrt, die dringend neu hätte gepflastert werden müssen. Unkraut wucherte in allen Ritzen. Ich versuchte, meine Hand aus Papas Hand zu ziehen, damit ich nicht dabeisein und etwas mit ansehen mußte, was mir vielleicht angst machen würde. Aber Papa zerrte mich durch die Haustür und gab mir keine Chance, in mein Versteck, unter der Kuppel, zu rennen. Sobald die Türen sich hinter uns geschlossen hatten, ließ er mich los. Geschickt vermied ich es, meinen Fuß auf irgendeinen buntenSonnenfleck am Boden zu stellen.
    Meine Mutter, Tante Elsbeth, Vera und eine uralte Frau waren in unserem besten Salon versammelt. Mammi lag auf der purpurnen Samtcouch. Die alte Frau beugte sich über sie. Als sie uns hereinkommen sah, zog sie den Ehering vom Finger meiner Mutter und befestigte ihn an einem Faden. Vera beugte sich vor. Sie schien sehr interessiert. Langsam, ganz langsam ließ die alte Frau den Ring über Mammis Bauch pendeln.
    »Wenn der Ring hm und her pendelt, wird es ein Junge«, murmelte die alte Frau. »Wenn er im Kreis schwingt, ein Mädchen.«
    Zuerst bewegte sich der Ring unruhig hin und her, vollkommen unentschlossen; dann blieb er stehen, änderte die Bewegung, und Papa fing an zu lächeln. Doch sein Lächeln verging schnell, als der Ring versuchte, einen Kreis zu vollziehen. Papa beugte sich vor und atmete schwer. Tante Elsbeth saß groß und hoch aufgerichtet; ihre dunklen Augen blickten ebenso erwartungsvoll wie Papas. Vera rutschte näher, die dunklen Augen weit aufgerissen. Mammi hob den Kopf und verrenkte sich den Hals, um zu sehen, was vorging, warum nichts gesagt wurde. Ich schluckte, hatte einen dicken Klumpen in der Kehle. »Was ist denn los?« erkundigte sich Mammi nervös.
    »Sie müssen sich ganz ruhig halten«, krächzte die alte Mrs. Allismore. Ihr hexengleiches Gesicht legte sich in winzige Falten. Ihr kleiner Mund sah aus wie ein grob umrandetes Knopfloch. Nicht Sekunden, sondern Stunden schienen zu verstreichen, in denen dieser Ring die Richtung wechselte, sich einfach nicht festlegen wollte. »Hat Ihr Arzt etwas von Zwillingen gesagt?« fragte die Alte mit verwundert gerunzelter Stirn.
    »Nein«, flüsterte Mammi. Sie schien noch beunruhigter.
    »Als ich das letzte Mal bei ihm war, sagte er, er könnte nur einen Herzschlag hören.«
    Papa griff nach ihrer Hand, zog sie an seine Wange und rieb sich damit über die Bartstoppeln. Ich konnte das leise, kratzende Geräusch hören. Dann bückte er sich und küßte Mammis Wange.
    »Lucky, nun schau doch nicht so besorgt drein. Das ist doch ohnehin alles nur Unsinn. Gott wird uns das richtige Kind senden; wir müssen uns keine Sorgen machen.«
    Aber Mammi bestand darauf, daß Mrs. Allismore es noch eine Weile versuchte. Fünf endlose Minuten verstrichen, ehe die alte Frau grimmig den Ring von dem Faden löste. »Ma’am, ich sage es nicht gern, aber was Sie da in sich tragen, ist weder männlich noch weiblich.«
    Mammi stieß einen leisen, erschreckten Schrei aus.
    Nie zuvor hatte ich Papa so wütend gesehen. »Verschwinden Sie!« brüllte er. »Sehen Sie sich nur meine Frau an! Sie haben sie zu Tode erschreckt!«
    Er drängte die alte Frau zur Tür. Zu meiner Verblüffung schob er ihr eine Zwanzigdollarnote in die Hand. Warum gab er ihr so viel Geld?
    »Fünfzig Dollar, Sir.«
    »Zwanzig oder gar nichts für das, was Sie geleistet haben«, fuhr Papa sie an, schob sie hinaus und verschloß die Tür hinter ihr. Als ich den Salon wieder betrat, war Vera in den Schatten gerückt. Von hier aus sah sie Papa mit harten Augen an. In der Hand hielt sie ein riesiges Stück Schokoladekuchen, das als Nachtisch für mich aufgehoben worden war…Sie hatte am Vorabend schon doppelt soviel gegessen.
    Als sie meinen wütenden Blick auffing, grinste sie und leckte sich die Schokolade von den Fingern. »Alles weg,süße Audrina. Nichts mehr übrig für dich, weil du ja fortlaufen mußtest. Wo bist du gewesen,

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