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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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geschickt habe? Das war gemein, weißt du, sehr gemein sogar. Nicht einmal anzurufen…«
    Mir stockte der Atem. Er hatte die Pralinenschachtel mir und nicht Vera geschenkt? »Ich wußte nicht, daß du mich kennst, und mir hat niemand Pralinen gegeben«, sagte ich leise mit erstickter Stimme. Selbst jetzt war ich nicht sicher, daß er einem vollkommen unbekannten Mädchen so teure Pralinen geschickt hatte, wo Vera doch recht hübsch war und sich schon zur Frau entwickelte.
    »Klar kenne ich dich. Darum habe ich dir doch den Brief geschrieben und mit den Pralinen geschickt. Ich sehe dich immer mit deinen Eltern. Das Dumme ist bloß, daß du niemals den Kopf drehst, um irgendwen zu sehen. Ich bin bei deiner Schwester in der Klasse. Ich habe sie gefragt, warum du nicht zur Schule gehst, und sie hat mir erzählt, daß du verrückt bist, aber das glaube ich nicht. Wenn Menschen verrückt sind, sieht man das ihren Augen an. Deshalb bin ich in den Drugstore gegangen und habe das schönste, rote Satinherz von allen ausgesucht. Ich hoffe, Vera hat dir wenigstens eine Praline gegeben; schließlich gehörten sie dir ja alle.«
    Kannte er Vera so gut, daß er sogar vermutete, sie würde lügen und sie alle aufessen? »Vera hat gesagt, du hättest ihr die Schachtel geschenkt.«
    »Aha! Genau das hat meine Mam auch vermutet, als ich ihr erzählte, du müßtest ein sehr undankbares Mädchen sein. Aber auch wenn du nichts davon gegessen hast, hoffe ich, du hast wenigstens gemerkt, daß es einen Jungen gibt, der dich für das schönste Mädchen hält, das er je gesehenhat.«
    »Danke für die Pralinen«, flüsterte ich.
    »Ich trage die Morgen- und Abendzeitungen aus. Es ist das erste Mal, daß ich mein hartverdientes Geld ausgegeben habe, um einem Mädchen etwas zu schenken.«
    »Warum hast du das getan?«
    Hastig wandte er den Kopf. Oh, seine Augen waren wirklich bernsteinfarben. Die Sonne fiel hinein, blendete ihn, zeigte mir aber genau, wie hübsch die Farbe seiner Augen war, viel heller als seine Haare. »Ich glaube, Audrina, daß man manchmal ein Mädchen nur ansehen muß, um zu wissen, daß man es mag. Und wenn sie dann nie auch nur in deine Richtung schaut, dann muß man eben etwas unternehmen…Und dann hat es doch nicht geklappt.«
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Also sagte ich gar nichts. Aber ich bewegte mich ein wenig, so daß er mein Gesicht sehen konnte, während mein Körper noch immer sicher vom Gebüsch verdeckt war.
    »Verdammt will ich sein, aber ich verstehe wirklich nicht, daß du nicht zur Schule gehst.«
    Wie sollte ich es ihm erklären, wo ich es doch selbst nicht verstand? Außer es war so, wie Tante Elsbeth sagte, daß Papa mich ganz für sich haben und ›ausbilden‹ wollte.
    »Da du nicht gefragt hast, stelle ich mich einfach selber vor. Ich bin Arden Nelson Lowe.«
    Vorsichtig trat er näher an mein Versteck, reckte den Hals, um mich besser sehen zu können. »Mein Name fängt auch mit ›A‹ an, wenn das etwas zu bedeuten hat, und ich glaube, das hat es.«
    »Was glaubst du denn, daß es bedeutet?« fragte ichverblüfft. »Aber komm nicht näher, sonst laufe ich davon.«
    »Dann laufe ich dir nach und hole dich ein.«
    »Ich kann sehr schnell laufen.«
    »Ich auch.«
    »Wenn du mich einholen würdest, was würdest du dann tun?«
    Er lachte und wirbelte im Kreis herum. »Ich weiß nicht. Aber wenigstens könnte ich dich aus der Nähe sehen und herausfinden, ob deine Augen wirklich violett sind oder bloß dunkelblau.«
    »Wäre das wichtig?«
    Ich machte mir Sorgen. Meine Augenfarbe war wie meine Haarfarbe–wechselhaft. Es waren sonderbare Augen, die ihre Farbe entsprechend meiner Laune wechselten, von Violett bis hin zu einem tiefen, dunklen Purpur. Gequälte Augen, sagte Tante Elsbeth, die mir immer wieder auf indirekte Art zu verstehen gab, daß ich sonderbar war.
    »Nein, es wäre nicht wichtig«, sagte er.
    »Arden«, rief eine Frauenstimme, »mit wem sprichst du da?«
    »Mit Audrina«, rief er zurück. »Du weißt doch, Mammi, die jüngere der beiden Mädchen, die in dem großen Haus auf der anderen Seite vom Wald leben. Sie ist unfaßbar hübsch, Mammi, aber so schüchtern. Ich habe noch nie ein so schüchternes Mädchen getroffen. Sie versteckt sich hinter den Büschen, bereit, davonzulaufen, wenn ich in ihre Nähe komme. Sie ist ganz anders als ihre Schwester, kann ich dir sagen. Findest du, daß das die richtige Art ist, einem Jungen gegenüberzutreten?«
    Im Haus lachte seine Mutter

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