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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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persönlich.«
    Er verstummte, aber das war nicht schlimm. Wir konnten stundenlang Zusammensein, ohne zu reden, und dennoch fühlten wir uns wohl miteinander. Ich lag im Gras und sah zu, wie er sein Fahrrad reparierte, sah zu seiner Mutter am Fenster hinüber, wo sie einen Kuchenteig anrührte, und ich dachte, daß eine richtige Familie so leben müßte–und nicht die ganze Zeit nur streiten. Die düsteren Schatten in unserem Haus weckten auch düstere Schatten in mir. Hier draußen im Freien waren die Schatten unter den Bäumen nur vorübergehend. Aber Whitefern drohte ständig im Hintergrund.
    »Audrina«, sagte Arden plötzlich und bastelte dabei immer noch an seinem Rad herum, »was denkst du eigentlich wirklich von mir?«
    Ich hatte ihn gern, mehr, als ich zugeben wollte, aber das konnte ich ihm unmöglich sagen. Warum verschwendete ein Junge von zwölf Jahren seine Zeit an ein siebenjähriges Mädchen? Vera mußte ihm doch bestimmt besser gefallen. Aber das wollte ich ihn auch nicht fragen. »Du bist mein erster Freund, Arden, und ich glaube, ich bin dir sehr dankbar, daß du dich überhaupt mit mir abgibst.«
    Unsere Blicke trafen sich kurz. Ich sah in seinen Augen etwas schimmern wie Tränen–aber warum sollte er weinen, wenn ich so etwas sagte? »Eines Tages werde ich dir etwas erzählen müssen, und danach wirst du mich nicht mehr mögen.«
    »Dann erzähl es mir niemals. Denn ich will nicht aufhören, dich zu mögen, Arden.«
    Er wandte sich ab. Was hatte er mir zu erzählen? Hatte auch Arden ein Geheimnis wie alle anderen?
    Eines Morgens rannte ich schon früh zu Arden, damit er mir zeigen konnte, wie man Fische fängt und lebende Würmer als Köder an den Haken befestigt. Vera kam hinter mir her, obwohl ich versucht hatte, unbemerkt aus dem Haus zu schlüpfen. Ich mochte die Würmer nicht auf die Haken spießen, und bald zog Arden aus seiner Tasche künstliche Fliegen und zeigte mir, wie man diese Köder auslegte. Dabei stand er auf einem Uferstück, das höher lag als der Rest. Vera, die neben mir saß, flüsterte mir zu, wie gut Arden in seiner roten Badehose aussah. Sie kicherte und deutete auf die Stelle, von der all die kleinen Babys kommen.
    »Ich glaube kein Wort von dem, was du sagst«, flüsterte ich zurück. Ich lief rot an und wußte nur zu gut, daß alles stimmte, was sie sagte. Warum schien alles an Jungen so vulgär und gemein zu sein, wenn Vera darüber sprach? Ich mochte Vera nicht, aber sie hatte eine Art, all die Dinge beim Namen zu nennen, über die sonst niemand reden wollte. Ich nahm an, daß ihr Interesse an Medizinbüchern ihr mehr über das Leben verriet, als ich selbst jemals herausfinden würde.
    »Ich wette, du und Arden, ihr habt schon miteinander ›Doktor‹ gespielt.«
    Sie lachte noch lauter, als sie mir erklärte, was sie damitmeinte. Ich schlug nach ihr. »Manchmal hasse ich dich, Vera.«
    »He, ihr beiden!« rief Arden, drehte sich um und hielt seinen Fang hoch in die Luft »Das ist wirklich mal ein Großer. Ein Barsch, groß genug für uns alle. Kommt, wir bringen ihn Mam. Sie kann ihn zum Mittagessen kochen.«
    »Ach, Arden.«
    Vera klatschte in die Hände und riß ehrfürchtig die dunklen Augen auf. »Ich glaube, das ist tatsächlich der alte Fisch, den alle Fischer hier in der Gegend seit Jahren zu fangen versuchen. Ich glaube, du hast ihn erwischt. Was für ein guter Angler du bist.«
    Für gewöhnlich schien Vera Arden zu verärgern, aber diesmal lächelte er, geschmeichelt über ihr Lob. »Ach, Vera, der ist mir förmlich an die Angel gesprungen.«
    Ich haßte ihn, weil er ihrer plumpen Schmeichelei erlag, weil er nicht erkannte, daß Vera alles sagen würde, nur damit er sie mehr ansah als mich. Ich sprang auf die Füße und lief zu der Stelle hinüber, wo ich mein Sommerkleid hingelegt hatte. Hinter dem schützenden Gebüsch wollte ich den Badeanzug gegen mein Kleid tauschen. Aber meine Sachen waren fort, sogar meine Sandalen! Mein weißer Badeanzug lag bereits am Boden, naß und schmutzig, und ich schaute mich überall um. Wahrscheinlich waren meine Kleider vom Wind davongeweht worden. »Vera, hast du meine Kleider versteckt?« fragte ich endlich.
    In diesem Augenblick, als ich in die andere Richtung schaute, erhaschte ich noch einen kurzen Blick auf eine flinke Hand, die meinen Badeanzug packte. Ich erkannte den Ring an ihrem Finger. Veras Hand. Ich brüllte, wollte ihr nachlaufen, aber Arden war da draußen, und ich hatte nichts am Leibe. »Arden«, rief

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