Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
Aussehen und seinem gewinnenden Charme den Kopf verdreht hatte. »Er hat jeden anderen Mann in meinem Leben überragt, Audrina«, erzählte mir Mammi. »Als dein Vater von der See zurückkam, wurden alle Mädchen fast verrückt, einfach, weil er mit ihnen in einem Zimmer war.
    Und ich war natürlich glücklich, als er dann nur Augen für mich hatte.«
    Dann runzelte sie die Stirn, als wäre ihr gerade ein anderes Mädchen eingefallen, für das Papa ›Augen gehabt‹ haben könnte.
    Vera scherzte gern darüber, daß mein Vater meine Mutter nur geheiratet habe, weil ihm ihre Haarfarbe so gut gefiel. »Hexenhaar«, nannte Vera Mammis und mein Haar. »Chamäleonhaar«, sagte Papa oft dazu. Es war merkwürdiges Haar, und manchmal dachte ich, daß Vera recht hatte. Unser Haar wußte einfach nicht, welche Farbe es haben wollte, und deshalb war es alles: flachsblond, weißgold, kastanienbraun, hellrot, goldbraun, kupfer und manchmal sogar weiß. Papa liebte die merkwürdige Farbe unseres Haares. Ich glaubte, er hätte Gott befohlen, mir das Haar mitzugeben, das ich hatte; wenn ER das nicht getan hätte, hätte Papa mich vielleicht wieder zurückgeschickt, denn die erste Audrina hatte dieses Haar auch gehabt.
    Mein Papa war einsfünfundneunzig groß und gut zweihundert Pfund schwer. Er war der größte Mann, den ich je gesehen hatte. Aber Vera erzählte mir ständig, daß es viele Männer gab, die größer waren, vor allem Basketball-Spieler. Papas Haar war so schwarz, daß es im Sonnenlicht bläulich schimmerte. Er hatte wunderschöne, mandelförmige Augen, dunkelbraun, manchmal wirkten sie fast schwarz, und seine Wimpern waren so lang und dicht, daß sie künstlich zu sein schienen. Aber das waren sie nicht. Ich wußte es; ich hatte nämlich einmal versucht, sie abzureißen, nachdem ich gesehen hatte, wie Mammi sich falsche Wimpern angeklebt hatte. Seine Augen waren wie Öl, schreckhaft und wundervoll, vor allem, wenn sie glitzerten. Er hatte glatte, weiche Haut, die im Winter oft gerötet war und im Sommer dunkelbraun. Wenn Mammiböse auf Papa und seine selbstsüchtige Art war, mehr Geld für sich als für sie auszugeben, dann nannte sie ihn einen Stutzer und einen Gecken, aber ich wußte nicht, was diese Worte bedeuteten. Ich vermutete, daß es hieß, mein riesiger, mächtiger Papa sorgte sich mehr um Kleider als um Prinzipien.
    Er hatte Angst davor, alt zu werden. Vor allem fürchtete er, sein Haar zu verlieren. Jeden Tag überprüfte er seine Bürste, zählte förmlich die Haare, die er fand. Viermal im Jahr ging er zum Zahnarzt. Der Arzt untersuchte ihn ebenso häufig wie der Zahnarzt. Papa jammerte über Kleinigkeiten, die niemand außer ihm selbst bemerkte, wie zum Beispiel seine dicken, hornigen Zehennägel, die er nur mit Mühe schneiden konnte. Aber wenn er lächelte, war sein Charme unwiderstehlich.
    Prinzipien war ein weiteres Wort, das ich nicht verstand. Aber Mammi sagte oft, daß sie Papa fehlten. Wiederum vermutete ich, daß sie damit sagen wollte, daß Papa sich nahm, was er sich wünschte, und daß es besser war, wenn sich ihm niemand in den Weg stellte. Aber manchmal, wenn er mit mir zusammen war, war er zärtlich und liebevoll und ließ mir meinen Willen–aber nur manchmal. Es gab auch andere Zeiten–schreckliche Zeiten.
    Als meine Tante mit Vera, die damals ein Jahr alt war, hierher zurückgekommen war, hatten sie abgemacht, daß Tante Elsbeth für Kost und Logis die Hausarbeit erledigen sollte, während meine Mutter das Kochen übernahm. Dummerweise wollte meine Tante kochen (was sie für einfacher hielt), statt die Hausarbeit zu erledigen, aber niemand hätte essen können, was meine Tante zubereitet hatte. Mammi verabscheute Hausarbeit, aber sie konnte einfach irgend etwas in einen Topf oder eine Schüssel werfen, und wenn es fertig war, schmeckte es einfach himmlisch. Papa sagte, sie wäre eine ›kreative‹ Köchin,weil sie den Geist des Künstlers in sich trug, während Ellie (nur er nannte sie so) dazu geboren war, die Sklavin eines Mannes zu werden. Oh, wie meine Tante ihn immer anfunkelte, wenn er so gemeine Sachen sagte.
    Meine Tante war eine schreckliche Frau. Groß, schlank und gemein lautete Vaters Beschreibung. »Kein Wunder, daß dich kein Mann heiraten will«, neckte er sie oft. »Du hast die Zunge einer Xanthippe.«
    Aber sie hatte nicht nur eine spitze Zunge, die für Vera und mich gleichermaßen bissige Bemerkungen übrig hatte, sondern war auch schnell mit der Rute zur Hand. Zum

Weitere Kostenlose Bücher