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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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eine kleine Analyse zu schreiben und danach noch eine ausführlichere Studie. Und es dauerte gar nicht lange, da brachte er ihr Dokumente aus seinem Geheimsafe. Er liebte sie eben, auch wenn sie nie eine sexuelle Beziehung hatten. In gewisser Weise ein ganz klassischer Fall.»
    «Entzückend», sagte Anna. «Mir wäre allerdings eine Erfolgsgeschichte lieber, bei der es nicht um ehemalige Sekretärinnen mit großem Herzen geht.»
    «Sei nicht so hochnäsig, Liebes.»
    «Entschuldige. Ich habe das gar nicht so gemeint. Aber Audreys Ansatz   … die drei Kinder und das alles   … so was ist für eine alleinstehende, kinderlose verhinderte Osmanistin nicht so leicht umzusetzen, fürchte ich.»
    «Da hast du allerdings recht», sagte Margaret. «Ich werde dir noch ein Beispiel geben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dir das sehr viel besser gefällt als das erste.»
    «Abwarten.»
    «Ich denke da an eine Frau, die einen ganz ähnlichen Hintergrund hatte wie du. Sie war Volkswirtin, hatte ihren Abschluss am Bryn Mawr gemacht und dann noch irgendwo anders promoviert. Eine charmante, kultivierte Frau aus gutem Haus. Und eine unserer besten Agentinnen.»
    «Was war ihr Geheimnis?»
    «Sie hat ihre Stärken ausgespielt. Sie war elegant, kam aus der Oberschicht, bewegte sich gewandt auf jedem Parkett und wusste das zu ihrem Vorteil zu nutzen. Wir setzten sie im entsprechenden Milieu in Westeuropa ein, wo sie Kontakte zu Zielpersonen mit ähnlichem Hintergrund knüpfte. Sie erhielt den nötigen diplomatischen Rang, hoch genug, um wichtige Leute bei sich empfangen zu können. Und irgendwann bekam sie dann Zugang zu den wirklich wichtigen Informationen.»
    «Das ist doch eine tolle Geschichte. Wieso glaubst du, dass sie mir nicht gefallen könnte?»
    «Weil die fragliche Dame etwas übergewichtig war. Vermutlich zählte auch das zu ihren Vorteilen. Es trug dazu bei, dass ihre männlichen Freunde sich bei ihr wohlfühlten, weil es eben keine sexuelle Anziehung gab.»
    Anna runzelte die Stirn. «Hört sich an, als könnten Männer sich nur mit hässlichen Frauen wohlfühlen.»
    «Das verstehst du falsch.» Margaret aß ihre letzte Auster und reihte die Schalen fein säuberlich nebeneinander auf. «Ich will damit nur sagen, dass es in unseren Zeiten sexueller Befreiung für dich als junge, attraktive Amerikanerin vielleicht schwieriger sein kann, als du glaubst, einen Mann im Ausland dazu zu bringen, an etwas anderes als Sex zu denken. Zumal das Gerücht geht, Amerikanerinnen seien leicht zu haben.»
    «Empörend!», sagte Anna. Sie musterte die ordentliche Reihe Austerschalen. Für so ein intimes Thema erschien ihr das Gespräch erschreckend unpersönlich. «Margaret?», fragte sie.
    «Ja?»
    «Wie hast du denn reagiert, wenn jemand zudringlich wurde, den du rekrutieren wolltest?»
    «Ach», seufzte Margaret. Sie schloss einen Moment die Augen und strich sich eine ihrer unsichtbaren Haarsträhnen aus dem Gesicht. «Wie ich reagiert habe? Normalerweise habe ich einfach so getan, als wäre nichts. Ich ging auf Distanz, wofür uns Frauen ja zum Glück zahllose subtile Mittel zur Verfügung stehen. Manche Frauen merken gar nicht, dass sie trotz allem ja sagen, durch ihren Ton, ihren Blick, ihre Haltung. Im Großen und Ganzen ist es mir meistens gelungen, ein klares Nein zu signalisieren.»
    «Meistens?»
    «Jeder Fall ist eben anders. Und hin und wieder kann es auch nützlich sein, etwas mehr Bein zu zeigen.»
    «Hast du jemals mit einem deiner Agenten geschlafen?»
    «Nein, nie», antwortete Margaret rasch. Zu rasch. «Zumindest nicht aus beruflichen Gründen», setzte sie hinzu, in einem Ton, der das Thema für beendet erklärte.
    Anna hakte weiter nach, doch die Ältere ließ sich nicht aus der Reserve locken.
    Der Kellner trat an den Tisch, entkorkte den Burgunder und servierte ihnen dann feierlich die Steaks. Er schien es regelrecht zu genießen, zwei Frauen so prassen zu sehen. Und die beiden genossen es ja auch selbst, das Essen, das Trinken und das Reden. Als sie fertig waren, war Anna ganz erhitzt vom Essen und vom Wein und in recht ausgelassener Stimmung.
    «Die sollen mich da mal ranlassen!», rief sie übermütig. «Ich werde den Laden schon aufmischen. Wart’s nur ab.»
    «Sprich nicht so, Liebes.»
    «Warum denn nicht? Ich mache es einfach so wie die alten Knaben. Lässig und abgebrüht. Keine Sperenzchen und keine Kompromisse.»
    «Schluss jetzt!», fuhr Margaret sie an.
    «Was denn? So läuft das Spiel

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