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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Mund gleiten. Margaret nahm die Gabel zu Hilfe.
    «Ich werde dir die perfekte Agentin beschreiben», sagte sie, als der Kellner sich wieder entfernt hatte. «Sie ist attraktiv, aber nicht sexy. Sie ist selbstbewusst, aber ohne alle Allüren. Und sie fühlt sich wohl mit ihrer Weiblichkeit, ohne eine Emanze zu sein.»
    «Und wie sieht der perfekte Agent aus?»
    «Den gibt es nicht.»
    «Also gut, dann eben der typische Agent.»
    «Aus deiner Perspektive gibt es nur eine Verallgemeinerung, die dir nützlich sein kann. Deine männlichen Kollegen werden dir als die idealen Sexualpartner erscheinen, weil sie die einzigen Menschen sind, bei denen du dich richtig frei fühlen kannst. Aber ich rate dir: Finger weg.»
    «Hast du es denn getan?»
    «Was?»
    «Mit Kollegen geschlafen.»
    «Selbstverständlich. Bei jeder Gelegenheit. Aber ich lebe auch immer noch allein, und die meisten der Herren sind immer noch verheiratet.»
    Anna dachte darüber nach. Sie hatte zwar nicht vor, bald zu heiraten, andererseits hatte sie aber auch keine Lust, ihrenLebensabend allein zu verbringen und den Erinnerungen an all die verheirateten Männer nachzuhängen, mit denen sie geschlafen hatte.
    «Willst du ein paar Geschichten über erfolgreiche Agentinnen hören?», fragte Margaret.
    «Unbedingt. Je erfolgreicher, desto besser.»
    «Es könnte aber sein, dass sie dir nicht gefallen.»
    «Das kann ich mir nicht vorstellen.»
    «Gut. Ich habe dich gewarnt.» Margaret senkte ihre Stimme so weit, dass sie beinahe flüsterte.
    «Die erfolgreichste Agentin, die wir jemals hatten, fing als Sekretärin bei uns an. Nennen wir sie Audrey. Sie hatte nur einen Highschool-Abschluss und war mit einem Postboten verheiratet.»
    «Mit einem Postboten?» Anna zündete sich eine weitere Zigarette an. «Na, kein Wunder, dass sie da beim Geheimdienst gelandet ist.»
    «Der Postbote hat sich von ihr scheiden lassen, und sie saß mit drei Kindern da, die sie irgendwie durchbringen musste. Sie brauchte mehr Geld, und weil sie bei allen Mitarbeitern sehr beliebt war, wurde sie in die Personalverwaltung versetzt. Dabei stellte sich rasch heraus, dass sie ein hervorragendes Namens- und Zahlengedächtnis hatte, und so wurde sie gleich noch einmal befördert, diesmal zur Analystin bei der Spionageabwehr. Und weil sie auch darin so gut war, beschloss man, ihr eine Chance als Agentin in Europa zu geben. Verstehst du, was ich damit sagen will?»
    «Ehrlich gesagt nein.»
    «Audreys Geheimnis lag in ihrer Beliebtheit. Man konnte gar nicht anders, man musste sie einfach mögen. Sie besaß eine Fähigkeit, wie man sie oft bei guten Verkäuferinnen findet. Diesind so freundlich und hilfsbereit, dass man sich beim Anprobieren einfach mit ihnen unterhalten muss, und irgendwann hat man seine ganze Lebensgeschichte erzählt und etwas viel Teureres gekauft, als man eigentlich vorhatte. Bei Audrey war es genauso. Außerdem hatte sie noch die drei Kinder, das hielt die Männer davon ab, auf dumme Gedanken zu kommen. Dabei war sie sogar recht attraktiv. Vollbusig, blond, perfekt lackierte Nägel   … du weißt schon.»
    «Also eher billig.»
    «Nein, ganz und gar nicht billig. Eher bodenständig. Wir schickten sie mitsamt den Kindern nach Europa, in eine unserer großen Botschaften, und setzten sie auf einen Ingenieur an, der Zugang zu streng geheimen Forschungsprojekten hatte. Er war Ende fünfzig, seine Frau lebte irgendwo in der Provinz, und er fühlte sich wohl recht einsam. Er lernte Audrey kennen, und schon bald trafen sie sich fast regelmäßig. Abends. Sie gingen essen oder ins Kino, doch es endete nie im Bett. Da war Audrey unerbittlich, und die Tatsache, dass sie drei Kinder hatte, half ihr dabei sehr. Wenn es einmal spät wurde, rief sie ihrem Ingenieur immer in Erinnerung, dass sie jetzt nach Hause zu ihren Kindern musste. Manchmal lud sie ihn auch zu sich zum Abendessen ein, und er spielte mit den Kindern. Sie wurden wie eine zweite Familie für ihn.»
    «Aber irgendwie hat sie ihn dann ja doch rekrutiert. Oder hat sie das einem der alten Knaben überlassen?»
    «Darauf wollte ich eben kommen. Audrey ermunterte ihren Ingenieur, ihr von seiner Arbeit zu erzählen, wie das jede Frau tut, wenn sie sich für einen Mann interessiert. Und irgendwann sagte sie zu ihm: ‹Weißt du, bei mir im Büro gibt es jemanden, der sich brennend für dieses Thema interessiert. Könntest du ihm vielleicht ein paar Zeitungsartikel zusammenstellen?»Einige Monate später bat sie ihn, selbst

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