Das Netzwerk
Sie», sagte der kleine, drahtige Mann und machte dabei ein Gesicht, als könne er sein Gehirn auf Befehl in eine Art Leerlauf schalten.
«Wer schickt Sie?»
«Der Boss von Karpetland.»
«Tatsächlich? Und wer sind Sie?»
«Ich arbeite für den Boss.»
«Beweisen Sie mir das. Ich habe noch nie von Ihnen gehört.»
Der Kurier überreichte Taylor einen weiteren, an ihn adressierten Umschlag.
Er enthielt eine von Stone in seiner säuberlichen Handschrift verfasste Nachricht. «Alan, ich übersende Ihnen dieses Paket per Kurier. Wenn er es an Sie übergeben hat, geben Sie ihm eine Ihrer Istanbuler Visitenkarten, die Sie persönlich unterschrieben haben. Sie dient als Quittung. In dem Paket ist ein versiegelter Umschlag mit Anweisungen für Sie. Alles Gute.» Der Brief war nicht unterschrieben.
Taylor folgte Stones Anweisungen. Er signierte eine seiner Visitenkarten, steckte sie in einen Umschlag und klebte ihn zu, bevor er ihn dem Kurier übergab. Dann brachte er den Mann hinunter zum Ausgang und verabschiedete sich von ihm. Während der Kurier hinaus auf Mesrutiyet Straße trat, fragte sich Taylor, wo Stone bloß solche Leute fand.
Als er wieder im Büro war, verriegelte Taylor die Tür und öffnete das sehr sorgfältig eingewickelte Paket. In seinem Inneren befanden sich zwei weitere, ebenfalls sorgfältig verpackte Päckchen und ein großer, mit Wachs versiegelter Umschlag. Taylor brach das Siegel und zog einen weiteren handschriftlichen Brief von Stone aus dem Umschlag. Erstaunt las er: «Mein lieber Alan, nun ist es an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Dafür übersende ich Ihnen neues Material. In diesem Umschlag finden Sie handgezeichnete Karten, auf denen acht mögliche Ziele in der Sowjetunion markiert sind.»
Taylor hörte auf zu lesen und zog die Karten aus dem Umschlag. Wie Stone geschrieben hatte, waren sie alle sorgfältig per Hand gezeichnet und mit kyrillischen Buchstaben beschriftet. Taylor las weiter:
«Die Ziele sind das Gebäude des Muslimischen Gremiums für Zentralasien in Taschkent, ein Büro der Miliz in einem Vorort von Samarkand, die Zentrale der tadschikischen kommunistischen Partei in Duschanbe, eine Armeekaserne in Margelan im Ferghana-Tal, das KG B-Büro für Turkmenistan in Ashkhabad, ein Kulturzentrum in Baku, eine Ölförderstation in Sumgait und ein Büro der Miliz in einem Vorort von Alma-Ata.»
Taylor zählte die Karten noch einmal durch, ob es auch wirklich acht waren, dann las er weiter:
«Das kleinere Päckchen, das Sie vor sich haben, enthält einen hochexplosiven Plastiksprengstoff, der von Leuten, die etwas von solchen Sachen verstehen, hoch geschätzt wird. Ich habe Ihnen vier Beutel davon geschickt, die aber nur zu Demonstrationszwecke bestimmt sind. Benutzen Sie das Zeug bitte auf gar keinen Fall, sonst kommt am Ende noch jemand zu Schaden. Ich möchte, dass die Karten und der Plastiksprengstoff bei Ihnen in Istanbul von den Sowjets gefunden wird. Vielleicht geben Sie es Achmedow, aber das ist nur ein Vorschlag. Ich lasse Ihnen da völlig freie Hand. Nur machen Sie schnell, denn in ein paar Wochen wird es in einer oder mehreren zentralasiatischen Sowjetrepubliken echte Sprengstoffanschläge geben, auch wenn sie aus naheliegenden Gründen keines der auf den Karten verzeichneten Ziele treffen werden.
In dem zweiten Päckchen finden Sie einen Koffer, in dem sich ein Brief für Frank Hoffman befindet. Im Futter des Koffers ist eine nicht geringe Menge desselben Plastiksprengstoffs wie in den Beuteln versteckt. Dies nur zu Ihrer Information. Aber keine Sorge – der Sprengstoff kann nicht entdeckt werden, und von selber hochgehen kann er auch nicht. Bitte leiten Sie den Koffer so schnell wie möglich an Frank weiter. Alles Gute!»
Jetzt ist er völlig übergeschnappt, war Taylors erster Gedanke.Und auch sein zweiter. Aber jetzt war keine Zeit zum Nachdenken. Er musste in die Gänge kommen.
Am späten Nachmittag fuhr er allein in einem Wagen des Konsulats zu Munzers Wohnung in Aksaray, um dem Usbeken einen überraschenden Besuch abzustatten. Mit dem Sprengstoff und dem Umschlag mit den Plänen auf der Rückbank des Wagens quälte er sich im Berufsverkehr über die Atatürk-Brücke, und als er das Auto schließlich an der Ecke zu Munzers kleiner Wohnstraße abstellte, wurde es gerade dunkel. Der geparkte Konsulatswagen war natürlich auffällig, aber das war schließlich egal. Wer weiß, dachte Taylor, vielleicht haben die Sowjets Munzers Wohnung ja schon
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