Das Netzwerk
einfach einen offiziellen Antrag, dann kommt jemand aus der Zentrale und installiert dir das Zeug? Dauert nicht länger als einen Tag. Wieso ist das ein Problem für dich?»
«Das gehört zu dem Teil, über den ich besser nicht spreche.»
«Okay, Al. Tut mir leid, dass ich gefragt habe. Aber eines lass dir sagen: Pass auf dich auf. Jemand in der Zentrale will um jeden Preis erfahren, was du so alles treibst.»
Taylor dankte seinem Freund für die Warnung. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, was los war – weshalb jemand von der Generalinspektion sich nach ihm erkundigte –, aber eigentlich war es ihm auch egal. Im Augenblick genügte ihm die Erkenntnis, dass Rawls’ Wohnung abzuhören den Aufwand nicht wert war. Schließlich brauchte er nur eine Weile zu warten, dann würde der Russe aus Vancouver von selbst auf der Bildfläche erscheinen.
Bei ihrem nächsten Treffen berichtete Munzer, dass Khojaew ihn endlich dem mysteriösen Mr. Abdallah aus Taschkent vorgestellt habe. Taylor hatte schon seit Wochen darauf gewartet, aber offenbar hatte jemand Abdallah eingeschärft, dass er sehr vorsichtig sein sollte. Mit leuchtenden Augen beschrieb Munzer das Treffen.
«Abdallah hat mich nach Schriften gefragt», sagte er.
«Und? Haben Sie ihm welche gegeben?»
«Natürlich. Genau, wie Sie es wollten. Und ich habe zu ihm gesagt: ‹Du bist ein usbekischer Patriot, Abdallah. Du willstwissen, was Munzer tut, also zeigt Munzer es dir. Wir arbeiten schließlich alle für dieselbe Sache.»
«Und was für Schriften haben Sie ihm gegeben?»
«‹Turkestan unter sowjetischem Joch› und ‹Land muslimischer Glückseligkeit›. Und die Kassette mit den sibirischen Volksliedern, auf der in Wirklichkeit die Predigt des Naqshbandi-Sheiks ist. Und natürlich den schönen, kleinen Koran aus Pakistan.»
«Sonst noch etwas? Haben Sie Abdallah das Flugblatt aus Taschkent gezeigt und ihm gesagt, was dort geschehen ist?»
«Ja. Abdallah war sehr traurig darüber. So wie ich auch.»
«Haben Sie ihm das neue Flugblatt für die Demonstration in Baku gegeben?»
«Nein, das nicht.»
«Warum nicht?»
«Weil Abdallah kein Aserbaidschaner ist. Ebenso wenig wie ich. Was geht uns das also an?»
«Aber die Aserbaidschaner ziehen doch am gleichen Strang wie Sie, du meine Güte! Abdallah, Khojaew und Ihre anderen Freunde sollten endlich mal einsehen, dass es bei dieser Bewegung um mehr geht als um ihr eigenes Heimatland. Auch andere Sowjetvölker wollen ihre Freiheit. Die Aserbaidschaner, Armenier, Litauer und Ukrainer.»
«Wen interessieren schon die Aserbaidschaner und Armenier?»
«Uns. Wenn Sie sich also das nächste Mal mit Khojaew treffen, zeigen Sie ihm das Flugblatt aus Baku und sagen Sie ihm, dass er es an Abdallah weitergeben soll, okay?»
Munzer nickte, obwohl ihm bei dem Gedanken, dass die Unabhängigkeitsbewegung für Turkestan selbst für kurze Zeit mit den Freiheitsbestrebungen anderer Völker auf diesem Planeten koexistieren musste, sichtlich unwohl war.
Am ersten Dienstag im August traf ein Kurier mit einem großen Paket im Konsulat ein. Der Mann gehörte nicht zum normalen diplomatischen Kurierdienst, der in Frankfurt stationiert war und hochsensibles Material nach Moskau und an andere heikle Orte brachte, und er wies sich auch nicht als Angehöriger einer anderen U S-Behörde aus. Als er sich beim Empfang meldete, sagte er lediglich, dass er ein wichtiges Päckchen habe, welches er an Alan Taylor persönlich übergeben müsse. Die wachhabenden Marines wollten ihn schon wieder wegschicken, aber er gab ihnen einen Umschlag, auf dem Taylors Name stand, und bat sie, ihm diesen sofort zu überbringen. Als Taylor ein paar Minuten später in seinem Büro den Umschlag öffnete, fand er darin eine seiner eigenen Visitenkarten von Karpetland. «Bringen Sie den Mann zu mir herauf», sagte er zu dem Marine. «Und nehmen Sie ihm sein Paket nicht weg.»
Der Marine begleitete den Kurier über den Hof und hinauf in Taylors Büro im Anbau. Das Paket, das er auf einem extra gebuchten Sitzplatz an Bord einer Pan-am-Maschine über den Atlantik transportiert hatte, gab der Kurier dabei keine Sekunde lang aus der Hand. Als er in Taylors Büro war, schickte Taylor den Marine hinaus und schloss die Tür. Der Kurier sah Taylor lange an, und erst als er sicher war, dass es sich bei ihm auch wirklich um den Mann handelte, dessen Foto man ihm zu Hause gezeigt hatte, stellte er das Paket vor ihn auf den Schreibtisch. «Das ist für
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