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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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gab ein seltsames Geräusch von sich, das sich so anhörte, als würden hundert Chinesen in einem kleinen Restaurant wild durcheinanderreden. Das künstlich erzeugte Gemurmel diente dazu, ihr Gespräch vor etwaigen Wanzen oder verborgenen Lauschern abzuschirmen, die sich möglicherweise in den Zimmern neben ihrer Suite versteckt hatten. Stone vermutete immer und überall verborgene Lauscher.
    «Tut mir leid, dass ich Sie so unvermittelt hierher bestellt habe», sagte Stone über das Murmeln der Maschine hinweg, «aber wir haben ein Problem.»
    «Und was für eines?», fragte Taylor.
    «Es ist Schluss.»
    «Womit?»
    «Mit unserer Operation. Ich möchte, dass wir bis Ende November alles abblasen. Danach darf nichts mehr weitergehen, kein Verteilen von Flugblättern, keine Agenten, die herumlaufen und Ärger machen. Schluss damit.
Finito

    «Warum diese Eile?»
    «Das ist keine Eile, das ist Vorsicht.»
    «Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, Mr.   Stone. Sagen Sie uns klipp und klar, was los ist.»
    «Die Pygmäen sind auf dem Kriegspfad, mein Freund. Die kleinen Männchen in der Zentrale glauben, dass sie etwasSchlimmes entdeckt haben, und haben schon ihre Spürhunde losgeschickt. Auch die Generalinspektion ist eingeschaltet.»
    Anna musterte Stone sorgfältig und spürte, wie das mitgenommene Aussehen des alten Mannes sie seltsamerweise nicht erschreckte, sondern mit neuer Energie erfüllte. «Was haben sie denn Schlimmes entdeckt?», fragte sie.
    «Es geht um eine Sache in Afghanistan.»
    «Und was hat eine schlimme Sache in Afghanistan mit uns zu tun?»
    «Die Pygmäen glauben, dass ich da meine Finger drin habe, und wenn solche Leute erst einmal anfangen, Fragen zu stellen, dann nehmen sie nach und nach alles unter die Lupe. Wer im Wäschekorb nachsieht, ob etwas drin versteckt ist, kontrolliert bald auch das Familiensilber.»
    Taylor räusperte sich. «Glauben Sie nicht, dass Sie uns reinen Wein einschenken sollten, Mr.   Stone?»
    «Nein, glaube ich nicht.»
    «Ich bin derselben Meinung wie Alan», sagte Anna. «Sie sollten uns erzählen, was Sie in Afghanistan gemacht haben.»
    «Eines Tages, wenn wir Zeit dafür haben, werde ich es Ihnen erzählen, versprochen. Es ist nämlich eigentlich eine interessante Geschichte. Aber jetzt haben wir nicht genügend Zeit dafür.» «Versuchen Sie es doch wenigstens», sagte Anna kühl.
    «Na schön», seufzte Stone. «Aber wirklich nur ganz kurz. Dort in Afghanistan beginnt ein Krieg, meine jungen Freunde. Auf der einen Seite kämpft die mächtige, rücksichtslose und brutale Rote Armee und auf der anderen eine zerlumpte Truppe in Turbanen. Woher glauben Sie, dass diese Leute die Waffen und Ausbildung haben, mit denen sie Moskau jetzt herausfordern?»
    «Von uns?»
    «Nicht direkt. Jedenfalls nicht von den traurigen Gestalten imsiebten Stock unserer Zentrale, die uns Leute vor Ort ständig am Gängelband führen. Aber in weitestem Sinn stimmt es natürlich schon. Wir unterstützen die Rebellen in Afghanistan.»
    «Wer ist in diesem Fall wir? Sie?»
    «Wenn Sie so wollen, ja. Eigentlich sind auch noch mehrere andere Dienste mit im Spiel, aber ich gebe wohl den besten Sündenbock ab.»
    «Wer hat die Aktion in Afghanistan genehmigt?»
    «Das ist eine gute Frage. Eine elementare sogar für uns Amerikaner. Was ist so eine Genehmigung nur für eine wunderbare Einrichtung – wenn sie erst einmal erteilt ist, ganz gleich, von wem, ist eine Aktion moralisch sanktioniert und legal, wenn sie fehlt, ist die Aktion illegal und unmoralisch. Wir Amerikaner sind zu Papierfetischisten geworden, die Stempel und Siegel und Unterschriften anbeten.»
    «Wer hat die Aktion genehmigt?», fragte Anna noch einmal.
    «Wenn Sie es unbedingt wissen müssen: Der nationale Sicherheitsberater hat mich im März gebeten, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um unsere Sympathie mit den Mudschaheddin zu demonstrieren. Ich bin mir sicher, dass es irgendwo ein Blatt Papier als Beweis dafür gibt, auch wenn das für jeden normal denkenden Menschen eigentlich ohne Bedeutung sein müsste.»
    Während Stone das sagte, begannen seine blutunterlaufenen Augen zu funkeln, und seine Stimme wurde lauter. Vielleicht lag es daran, dass er so müde und verknittert wirkte, aber Anna kam es so vor, als wäre er am Ende seiner physischen und emotionalen Kraft angelangt.
    «Dem Generalinspektor bedeutet es etwas», sagte sie.
    «Um den brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Er ist nämlich ein alter Freund von

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