Das Netzwerk
entdeckt hatte, überschlug sich die CI A-Zentrale förmlich darin, ihm alle nur erdenklichen Informationen zu seinem neuen Lieblingsprojekt zu liefern. Und so waren sämtliche Büros in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Nahen Osten angewiesen worden, detaillierte Fragenkatalogezu der Anfang September in Havanna beginnenden Konferenz zu beantworten. Im Fachjargon nannte man das «Rapport.»
Auch Taylor sollte, wie alle anderen Bürochefs auch, einen solchen Rapport liefern. Und so stapelten sich auf seinem Schreibtisch Fragen über Fragen:
Identifizieren Sie die verschiedenen Untergruppen der Konferenz der blockfreien Staaten in Ihrem Wirkungsbereich und beschreiben Sie, wie sie sich zusammensetzen, wo sie sich treffen und ob bestimmte Mitglieder in letzter Zeit ausgeschlossen wurden.
Sollte das Land, in dem Sie tätig sind, eine Delegation zur Konferenz der blockfreien Staaten entsenden, listen Sie ihre Mitglieder namentlich auf und nennen Sie weitere, nicht zur Delegation gehörende Personen, die in Ihrem Wirkungsbereich etwas mit der Bewegung der blockfreien Staaten zu tun haben. Beschreiben Sie genau deren politische und gesellschaftliche Stellung.
Listen Sie Schwachpunkte Kubas in Bezug auf die Bewegung der blockfreien Staaten sowie kubanische Aktivitäten auf, die amerikanischen Bestrebungen zur Änderung des kubanischen Kurses zu durchkreuzen.
Ist Ihnen bekannt, auf welche blockfreien Staaten Kuba einzuwirken versucht und wenn ja, auf welche Weise das geschieht?
Die Fragen erinnerten Taylor irgendwie an eine Abschlussprüfung auf dem College, bei der man mit Fleißarbeit zusätzliche Punkte sammeln konnte. Vor seinem geistigen Auge sah er die jungen Karrieristen in der CIA endlose Überstunden machen, um der Zentrale einen Wust an Informationen über «die Rolle von Somalia oder Indonesien in der Diskussion über ökonomische Fragen bei der UNCTAD/G77 unter besondererBerücksichtigung der am wenigsten entwickelten Länder» zu beschaffen.
Taylor selbst beließ es bei der Mitteilung, dass er angesichts der Tatsache, dass die Türkei kein Mitglied der Bewegung der blockfreien Staaten sei, keine erhellenden Informationen in Hinblick auf die Konferenz in Havanna liefern könne. Aber das ließ man ihm nicht durchgehen. Postwendend wies die Zentrale ihn darauf hin, dass die Konferenz für den Präsidenten von vorrangigem Interesse sei und Taylor deshalb seine iranischen, kurdischen und arabischen Informanten in Hinblick auf das Treffen der blockfreien Staaten anzapfen solle.
Als die Konferenz endlich vorbei war, brach eine neue Lawine von Anfragen aus der Zentrale über die Außenstellen herein, die alle etwa klangen wie: «Haben die Delegierten aus Sambia mäßigend gewirkt oder in allen Fragen rückhaltlos die kubanische Linie unterstützt?» Natürlich gab es auch diesmal eine Fleißaufgabe für die Streber: «Wie schätzen Sie die Aktivitäten einzelner Länder in den verschiedenen Arbeitsgruppen verglichen mit ihren Auftritten im Plenum ein? Welche Kompromisse wurden von welchen Ländern geschlossen und wie kamen sie zustande? In dieser Hinsicht sind vor allem Kuwait, Nigeria, Somalia, Irak, Tansania, Mosambik, Jamaika, Peru und Guyana von Interesse. (Eine Nacht während der Konferenz wurde von Delegierten als ‹Höllennacht› bezeichnet. Was geschah in dieser Nacht?)»
Taylor war gerade dabei, sich eine freche Antwort auf die letzte Frage auszudenken («Die ‹Höllennacht› begann, als ein Mitglied der Haitianischen Delegation begleitet von zwei weiblichen Mitgliedern der Tontons Macoutes das Konferenzzentrum betrat und …»), als seine Sekretärin ihm sagte, dass er einen Anruf aus Amerika habe. Taylor ließ sie durchstellen und vernahm zu seinem Erstaunen die unverwechselbare Stimme von EdwardStone. Der Verkehrslärm im Hintergrund ließ vermuten, dass er aus einer Telefonzelle neben dem Highway anrief.
«Wissen Sie, wer hier spricht?», fragte die Stimme.
«Natürlich», sagte Taylor.
«Gut. Ich muss Sie so schnell wie möglich sehen.»
«Was ist denn los?»
«Das kann ich Ihnen nicht am Telefon erklären.»
«Wann wollen Sie mich treffen?»
«Morgen Abend.»
«Wo? In Amerika?»
«Nein, irgendwo in Europa.»
«Und wo dort?»
«Das werde ich Ihnen noch mitteilen.»
«Haben Sie meine Kollegin schon verständigt?»
«Noch nicht, aber ich mache es gleich. Aber es gibt da noch etwas.»
«Was denn?»
«Ihre Kollegin hat mich um etwas gebeten. Das müssen wir ebenfalls
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