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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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besprechen.»
    «Kein Problem. Wie erfahre ich, wo wir uns treffen?»
    Aber Stone hatte bereits aufgelegt. Die Information kam ein paar Stunden später, und zwar auf dem einfachsten und direktesten Weg, den man sich vorstellen konnte – in einer Mitteilung an Taylor aus der Zentrale. Sie war wie immer mit «QUELLE: DIREKTOR» überschrieben und lautete: «DAS IN ANHANG A BESCHRIEBENE TREFFEN FINDET AM 17.   SEPTEMBER UM 16   :   30   UHR IN DER CEVDET PASA NR. 93   IN BEBEK STATT.» Natürlich gab es keinen Anhang A.
    Taylor musste die Mitteilung zweimal lesen, bevor er seinen Augen traute. Die angegebene Adresse befand sich in der Nähevon Istanbul und bezeichnete ein heruntergekommenes, viertklassiges Hotel am Bosporus, wo die Farbe an den Wänden abblätterte und Teppiche und Tapeten mit Brandflecken übersät waren.
     
    Als Stone ihn am frühen Abend des nächsten Tages in seinem Hotelzimmer empfing, kam der alte Mann Taylor zum ersten Mal ungepflegt vor. Sein Gesicht wirkte teigig und aufgedunsen, seine Augen waren stark gerötet, und von dem vergeblichen Versuch, im Flugzeugsitz zu schlafen, war sein Anzug stark verknittert. Sogar auf seiner sonst immer makellosen Krawatte prangte ein hässlicher Fleck. Hätte Taylor Stone nicht besser gekannt, hätte er vielleicht angenommen, dass der alte Knabe eine durchsoffene Nacht hinter sich hatte. Durch die Verbindungstür zu einem angrenzenden Zimmer erkannte Taylor Anna, die auf einem Stuhl vor dem Fenster saß und hinaus auf den nächtlichen Bosporus schaute, wo die Positionslichter mehrerer Schiffe auf dem tiefschwarzen Wasser funkelten.
    «Sie sehen nicht gut aus», sagte Taylor zu Stone.
    «Das täuscht. Ich fühle mich blendend.»
    «Trotzdem sehen Sie aus, als hätten Sie einen Monat lang nicht geschlafen.»
    «Was kümmert einen der Schlaf, wenn man vor einem großartigen Sieg steht?»
    «Vor was für einem Sieg stehen wir denn? Und in welchem Spiel?»
    «Haben Sie denn die Mitteilungen der letzten Tage nicht gelesen? In Afghanistan hat es einen Staatsstreich gegeben. Taraki, der Mann Moskaus, ist von einem noch viel skrupelloserem Mann namens Amin gestürzt worden.»
    «Super. Dann gehen die Sowjets dort raus?»
    «Nein, noch viel besser, mein Junge: Sie gehen rein, und zwar noch viel massiver als bisher.»
    Taylor wollte Stone fragen, wie er das meinte, aber der alte Mann nahm ihn am Arm und führte ihn hinüber ins Wohnzimmer, wo auch Anna saß. Sie stand langsam auf und gab Taylor die Hand, kühl und korrekt, als wäre er für sie ein Kollege wie jeder andere. Er versuchte, Augenkontakt mit ihr zu bekommen, aber sie wich seinen Blicken bewusst aus. Etwas an ihr war anders, aber Taylor konnte noch nicht sagen, was.
    «Willkommen in Istanbul», sagte er zu Stone. «Übrigens sollten Sie sich bei Gelegenheit mal ein neues Reisebüro suchen.»
    «Warum?», erwiderte Stone. «In diesem Hotel haben wir genau die Ruhe, die wir brauchen. Schließlich haben wir viel miteinander zu besprechen, bevor Miss Barnes und ich morgen Vormittag wieder abreisen. Außerdem finde ich, dass dieses Haus eine ganz eigene Atmosphäre hat. Angeblich sollen hier während des Krieges Hitlers Agenten abgestiegen sein.»
    «Na toll. Aber warum treffen wir uns überhaupt in Istanbul? Warum nicht in Paris oder London?»
    «Weil wir hier die Lage im Griff haben. Oder sagen wir besser: Sie, als Büroleiter in Istanbul, haben die Lage hier im Griff.»
    «Das sagen Sie mal lieber nicht den Türken.»
    «Ich meine es auch nicht in Hinblick auf die Türken, sondern auf unsere sogenannten Kollegen in Langley.»
    «Ach so.»
    Anna hörte sich das Geplänkel schweigend an. Stones Ränkespiel mit der Zentrale interessierte sie im Augenblick sehr viel weniger als die Frage, ob er ihre Operation mit dem armenischen Arzt, der in Paris auf eine Antwort wartete, nun unterstützen würde oder nicht. Vor einer Stunde hatte sie das Thema schon einmal angeschnitten, aber Stone hatte sie auf später vertröstetund gesagt, dass er es nur zusammen mit Taylor besprechen wolle. Jetzt, als sie Taylor sah, verspürte sie keine Liebe zu ihm, ja nicht einmal Zuneigung. Sie dachte nur daran, wie sie ihn am besten manipulieren könnte. Und als Taylor sie dann mit seinem Schlafzimmerblick ansah, wurde ihr auf einmal klar, was die Antwort auf diese Frage war.
    Stone hatte inzwischen das Fenster geöffnet, um die Abendbrise hereinzulassen. Dann nahm er ein kleines Gerät aus seinem Koffer und schaltete es ein. Es

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