Das Netzwerk
würde, aber auf seinem erschöpften Gesicht machte sich ein Ausdruck ruhigen Gleichmuts breit. Offenbar nahm in seinem Gehirn ein neuer Plan Gestalt an.
«Ich halte das mit der Antenne eigentlich für eine reizvolle Idee», sagte er schließlich.
«Tatsächlich?» Anna lächelte erleichtert.
«Haben Sie diesen Armenier denn schon offiziell rekrutiert?»
«Nicht ganz.»
«Was heißt das?»
«Dass ich ihm noch nicht gesagt habe, für wen ich arbeite.»
«Haben Sie ihm Geld angeboten?»
«Nein.»
«Haben Sie irgendeine Art von Vertrag mit ihm ausgehandelt?»
«Eigentlich nicht. Ich habe ihn bisher nur dreimal getroffen, da erschien es mir noch nicht angemessen.»
«Schade.»
«Warum?»
«Weil damit die Verbindung zwischen Ihnen und ihm eher eine persönliche als eine professionelle ist. Klare Abmachungen sind nun mal besser als eine diffuse moralische Verpflichtung. Trotzdem ist es eine reizvolle Idee.»
«Mir kommt die Sache noch immer nicht koscher vor», wiederholte Taylor.
Anna hätte ihn am liebsten gegen das Schienbein getreten. Warum torpedierte er ihren Plan genau in dem Augenblick, in dem Stone kurz davor schien, ihm zuzustimmen? Sie sah Taylor an, konnte aber nicht feststellen, ob er tatsächlich um ihr Wohlergehen besorgt oder einfach bloß neidisch war.
Stone wollte die Diskussion offenbar beenden.
«Ich habe Hunger», sagte er. «Gehen wir was essen.»
Es war halb zehn, als sie vor dem Hotel in ein Taxi stiegen. Weil Taylor glaubte, dass ein Ortswechsel ihnen allen guttun würde, schlug er vor, ins Urcan zu fahren, ein Fischrestaurant in Sariyer, einer kleinen Stadt am Bosporus. Im Urcan suchten sich die Gäste lebende Fische aus, die in einem großen Aquarium neben der Tür herumschwammen. Stone wählte eine Flunder, die man kaum sehen konnte, weil sie dieselbe Farbe hatte wie der Sand am Boden des Aquariums, auf dem sie bewegungslos herumlag. Später verkündete er, sie schmecke ganz vorzüglich, was er auch vom Wein und von dem griechischen Brandy sagte, den sie nach dem Essen tranken. Weil alle drei ernste Gesprächsthemen ausklammerten, wurde es ein ebenso angenehmer wie langer Abend, und als sie wieder zum Hotel aufbrachen, waren sie alle, Stone mit eingeschlossen, ziemlich angetrunken. Annamusste Stone sogar stützen, als er leicht schwankend den Gang zu seiner Suite entlang ging. An der Tür gab er ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange.
«Die Sache mit dem Armenier klären wir morgen, bevor wir fahren», sagte er. «Frühstück ist um halb neun auf meinem Zimmer.» Er schloss die Tür.
Anna sah Taylor an, der ein paar Schritte entfernt mit dem Rücken an der Wand lehnte.
«Wie wäre es mit einem kleinen Absacker?», fragte sie und hoffte, dass es nicht allzu kalkuliert klang.
«Warum nicht?»
«Gib mir zehn Minuten, um mich frisch zu machen, dann hol mich in meinem Zimmer ab. Es ist die Nummer neun.»
39 Als Taylor zehn Minuten später an der Tür klopfte, öffnete Anna sie nur einen Spalt. Durch die Öffnung konnte er die glatte Haut ihrer Wange sehen, ebenso wie die Rundung ihrer Brust unter dem gazeartigen Stoff eines dünnen Morgenmantels, wie ihn feine Damen in Istanbul gerne nach dem Bad anzogen. «Ich bin noch nicht fertig», flüsterte sie. «Warum kommst du nicht rein und wartest, bis ich mich angezogen habe?»
Sie winkte Taylor herein, als wolle sie ihn zu einem geheimen Vergnügen einladen. Als er sah, dass Anna unter dem durchsichtigen Mantel nackt war, erregte ihn das sofort. Mit ausgestreckten Armen trat er auf sie zu.
«Nicht!», sagte Anna. «Es schickt sich nicht, eine Dame beim Anziehen zu berühren.»
Sie ging rückwärts zum Bett, auf dem sauber zusammengefaltetihre Kleider lagen. «Setz dich doch», sagte sie und deutete auf einen Stuhl. «Dauert nur eine Minute.» Sie blieb lange neben dem Bett stehen. Das Licht der Nachttischlampe hinter ihr machte den Morgenmantel komplett durchscheinend. Taylor konnte deutlich ihre runden Brüste, ihre sanft geschwungenen Hüften und das dunkle Dreieck ihrer Schamhaare erkennen.
«Tolles Outfit, Mata Hari», sagte er.
«Das habe ich mir hier gekauft», erwiderte Anna. «Angeblich haben es die Haremsdamen im Serail getragen, um den Sultan zu erfreuen.»
«Mich erfreut es auch.»
«Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat sich einer der Sultane gerne hinter einem Fenster versteckt, das direkt über dem Frauenbad lag. Seinen Frauen hat er solche Kleider gegeben, aber mit Nähten aus Leim, der sich in
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