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Selbstzufriedenheit zu sehen, aber stattdessen kam ihm der alte Mann eher überrascht vor. Taylor fragte sich, ob Stone vielleicht vergesslich wurde und eine Erinnerungshilfe brauchte.
«Der KGB muss die Wanze gefunden haben», erklärte er. «Sie wissen schon, in dem türkischen Stuhl in Alma-Ata. Kompliment, das haben Sie prima hinbekommen.»
«Entschuldigung, aber ich weiß nicht, wovon Sie reden.»
«Haben Sie den Russen denn keinen Tipp zukommen lassen? Sie haben vor ein paar Monaten gesagt, dass Sie die Aktion am liebsten beenden würden, indem sie die Zentrale in Moskau irgendwie darauf aufmerksam machen, dass die CIA einen Stuhl verwanzt hat, der dem Obersten Parteisekretär in Kasachstan gehört. Jetzt frage ich mich, wie Sie das gemacht haben.»
Stone schüttelte den Kopf. «Sie täuschen sich, mein Junge»,sagte er. «Ich habe den Russen keine Informationen zukommen lassen. Dafür hatte ich keine Zeit mehr.»
«Wer hat Kunajew denn dann hochgehen lassen?», fragte Taylor, dem langsam klar wurde, dass es sich bei Kunajews Abberufung doch nicht um Stones letzten Coup handelte. «Wie haben die Russen denn herausgefunden, dass in Istanbul etwas nicht stimmt?»
Stone goss sich langsam eine Tasse Kaffee ein. Er würde sich jetzt nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen. «Wahrscheinlich haben sie von unserem kleinen Spielchen auf dieselbe Weise erfahren wie halb Washington auch – durch das gedankenlose Geschwätz von Leuten, die eigentlich den Mund hätten halten müssen. Möglicherweise war die eine oder andere geheime Mitteilung doch nicht so geheim, oder vielleicht hat jemand bei ihnen ausgepackt.»
«Wer denn?»
«Diese Filzlaus Ascari.»
«Wie kommen Sie darauf?»
«Der griechische Geheimdienst hat ihn fotografiert, als er in die sowjetische Botschaft in Athen ging. Angeblich war er stinksauer auf Hoffman.»
«Großer Gott», sagte Taylor. «Wie viel hat er den Russen erzählt?»
«Alles bis auf die konkreten Details über seine Schmugglerfreunde, befürchte ich. Damit würde er sich ja sein Geschäft kaputt machen.»
«Wo ist Hoffman eigentlich?»
«Der ist abgetaucht. Ich schätze, er ist wieder böse auf mich.» Stone nahm einen Schluck Kaffee und warf ein weiteres Stück Zucker in die Tasse.
«Das sind ja schlechte Neuigkeiten», sagte Taylor.
«Das kann man wohl sagen», antwortete Stone, der entschlossen schien, sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. «Aber letzten Endes interessiert es mich nicht sonderlich, wer uns verraten hat. Wenn unser Kongress von der Sache Wind bekommen hat, wieso sollte sie dann dem KGB verborgen bleiben? Für mich ist viel wichtiger, dass unsere Leute aus der Schusslinie sind.»
«Nicht alle», sagte Taylor. «Sie vergessen Annas Armenier.»
«Inwiefern steht der in der Schusslinie?»
«Weil er garantiert Probleme kriegt. Wenn er in ein paar Wochen sein Päckchen abholt, wird der KGB ihn mit Sicherheit hopsnehmen und dann den Sprengstoff finden, den Sie ihm mit hineingepackt haben.»
«Richtig.»
«Sollten wir also nicht versuchen, die Lieferung zu stoppen?»
«Ich fürchte, das dürfte nicht möglich sein. Ascaris Freunde und Verwandte sind schon unterwegs. Selbst wenn wir wollten, könnten wir sie nicht mehr zurückpfeifen.»
«Aber wir könnten zumindest dem Armenier eine Warnung zukommen lassen, dass der die Antenne nicht abholt.»
«Das ist keine gute Idee. Die Warnung würde höchstwahrscheinlich abgefangen werden und dann zwangsläufig zu seiner Verhaftung führen. Wenn wir nichts tun, hat er wenigstens noch eine Chance.»
«Das sollten Sie besser Anna mitteilen. Ihr liegt die Sache sehr am Herzen. Das wird ihr überhaupt nicht gefallen.»
Stone blickte Taylor mit jenem leeren, unbetroffenen Gesichtsausdruck an, der den eiskalten Profi verriet.
«Müssen wir ihr das denn wirklich sagen?», fragte er. «Sie kann ja ohnehin nichts tun, und vielleicht halten wir sie damit von einer Dummheit ab.»
Taylor sah ihn entgeistert an. «Habe ich mich da eben verhört?», fragte er.
«Nein, haben sie nicht. Sie werden bloß sentimental, das ist alles.»
«Sie können mich mal kreuzweise», sagte Taylor. Stones eiskalte Antwort hatte in ihm einen Schalter umgelegt.
«Es ist sogar noch schlimmer», sagte Stone, während er sich ungerührt Butter auf eine Scheibe Toast strich. «Sie sind nicht nur sentimental, sondern auch rüpelhaft. Und unloyal.»
«Das ist mir scheißegal», entgegnete Taylor, der ein Gefühl hatte, als wäre gerade
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