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nicht mehr länger ertragen, den alten Mann anzulügen.
«Bitte, sagen Sie es ihm.» Munzers runder Kopf drehte sich zu ihm wie ein großer Ball. «Brechen Sie Munzers Herz nicht zum zweiten Mal in einem Leben.»
Taylor sagte noch immer nichts. Munzers sah ihn noch immer an, aber in seinen flehentlichen Blick mischte sich erst Argwohn und dann die blanke Wut. Sein Gesicht lief dunkelrot an, und er fing an, auf Usbekisch leise vor sich hin zu fluchen.
«Hören Sie mir gut zu, Munzer», sagte Taylor. «Lehnen Sie sich nicht länger gegen diesen Sicherheitsbeamten auf. Er tut nur seine Pflicht. Sagen Sie einfach die Wahrheit, beantworten Sie aufrichtig die Fragen, die er und seine Kollegen an Sie stellen, und Ihnen wird nichts passieren. Sie haben nichts Unrechtes getan.»
Aber Munzer hörte ihn kaum und stieß weiter seine usbekischen Flüche aus.
Am nächsten Tag wurde Taylor offiziell vom Dienst suspendiert und nach Washington zurückbeordert. Bevor er das Konsulat endgültig verließ, bat sein Stellvertreter noch einmal um ein Gespräch mit ihm. Auch wenn seine wortreichen Entschuldigungen die Freude darüber, dass er nun Taylors Stelle bekommen würde, nur notdürftig kaschierten, ließ er Taylor dennoch – ganz gleich, ob aus Anteilnahme oder dem Bedürfnis, sich keinen Feind zu machen – noch eine letzte, wichtige Information zukommen: Der sowjetische Generalkonsul und seine Frau seien überraschend zurück nach Moskau beordert worden, und eine Spezialeinheit des KGB habe den lachsfarbenen Palast in der Istiklal-Caddesi auf den Kopf gestellt. Das würde Taylor und seine Freunde möglicherweise interessieren. Taylor nickte. Stone hatte offenbar seinen letzten Trumpf ausgespielt.
Auch Anna konnte Stone nicht mehr rechtzeitig warnen. Als er sie in ihrem Hotel in Paris anzurufen versuchte, sagte man ihm, dass sie schon letzte Woche für einen Kurzurlaub nach Deauville gefahren sei. Der stellvertretende Empfangschef, der es ziemlich seltsam fand, dass jemand im Oktober an die Küste wollte, nannte Stone die Telefonnummer von Annas Hotel in Deauville. Der rief sie sofort an, nur um zu hören, dass dort nie eine Miss Morgan eingecheckt habe. Erst als er den Namen Anna Barnes nannte, sagte der Mann am Empfang, dass Miss Barnes zwar im Hotel wohne, momentan aber außer Haus sei. Stone hinterließ seinen Namen und sagte, er werde zurückrufen. Der vorletzte Anruf, den Stone vom Apparat seiner Nachbarin aus machte, ging an Frank Hoffman in Athen, aber dort erreichte er nur einen Anrufbeantworter, der verkündete, dass Mr. Hoffman außer Haus sei und man sich an seinen Verwaltungsassistenten,einen gewissen Mr. Panos, wenden solle. Stone wählte die Nummer verlangte mit all seiner Autorität von Mr. Panos zu erfahren, wo Hoffman sich aufhielt.
«Sind Sie von der Botschaft?», fragte Mr. Panos.
«Ich bin weiter oben angesiedelt, in Washington», antwortete Stone.
«Ich kann Ihnen nur das erzählen, was ich dem Mann von der Botschaft heute auch schon gesagt habe. Mr. Hoffman ist verreist.»
«Wohin?»
«Nach Saudi-Arabien. Mr. Hoffman hat einen saudi-arabischen Diplomatenpass, wie Sie ja sicher wissen.»
«Und wie lautet gleich nochmal der Name auf dem Pass?»
«Rashid al-Fasuli.»
«Was ist mit dem iranischen Herrn, der für Mr. Hoffman gearbeitet hat? Er heißt Mr. Ascari. Wissen Sie vielleicht, wo der gerade ist?»
«Der ist auch fort.»
«Und wo?»
«Er ist zurück nach Teheran.»
«Was ist passiert?»
«Mr. Hoffman hat ihn gefeuert. Er war sehr wütend auf ihn.»
«Warum?»
«Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen das erzählen darf», sagte der Grieche.
«Aber ich. Erzählen Sie es mir, sonst wird Mr. Hoffman am Ende auch noch wütend auf Sie.»
«Mr. Ascari wollte mehr Geld», erklärte Mr. Panos und senkte vertraulich die Stimme. «Er wollte Stellvertretender Direktor unserer Firma werden und in Teheran ein Büro eröffnen. Aber Mr. Hoffman hat nein gesagt.»
«Was ist dann passiert?»
«Ascari hat versucht, sich an Hoffman zu rächen, aber die Griechen haben es herausgefunden. Sie haben Mr. Hoffman gesagt, dass Ascari kein guter Mann ist.»
«Stimmt das denn?»
«Mr. Ascari ist ein fauler Apfel.»
«Aber woher wissen die Griechen das? Hat er was getan?»
«Sie haben ihn fotografiert, wie er in die russische Botschaft in Athen gegangen ist. Als Mr. Hoffman die Bilder in die Finger bekam, hat er Mr. Ascari sofort gefeuert und ist
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